In diesem Tutorial möchte ich dir zwei unterschiedliche Arten von Hautretusche beziehungsweise generell von Beauty-Retusche zeigen. Und zwar habe ich mir überlegt, dass man das Ganze ja theoretisch in Low-end und High-end aufteilen könnte. Dazu habe ich dir mal zwei Bilder geöffnet. Links siehst du so eine Art Low-end-Retusche. Ich komme gleich noch mal zu den Begriffen und erkläre dir ein bisschen genauer, was ich darunter verstehe. Und rechts siehst du eine High-end-Retusche von mir.
High-end heißt nicht unbedingt, dass das Bild super gut aussieht. Das heißt, dass bestimmte Techniken drinstecken. Low-end bedeutet nicht, dass das irgendwie eine schlechte Art von Retusche ist und es hat für mich nichts damit zu tun hat, dass das Bild eine schlechte Qualität hat - das heißt einfach nur, dass ich hier mit den Basics in Photoshop arbeite. Ich werde hier keine Lippen transformieren, Augen spiegeln, Haare malen … Das hat bei einer Low-end-, bei einer normalen Beauty-Retusche bei mir nichts verloren.
Dafür habe ich die High-end-Retusche beziehungsweise ich mache halt einfach die Sachen mehr und erziele natürlich dadurch auch einen ganz anderen Bildlook, weil wenn ihr euch das hier (linkes Bild) zum Beispiel als eine Kosmetikwerbung vorstellt, dann würdet ihr alle sagen: „Nein, das kannst du nicht dafür nehmen.“
Und wieso kann man es nicht dafür nehmen? Man kann es nicht dafür nehmen, weil hier zum Beispiel so ein heller Rand um die Lippen geht (1), weil hier ganz viel Mitten, Schatten, Tiefen, Lichter, alles so gemischt unter dem Mund ist und im Kinnbereich (2). Die Sommersprossen finde ich persönlich richtig klasse, die würde ich niemals wegmachen (3). Aber die Stirn ist noch ganz fleckig (4), ich habe überall fleckige Glanzstellen (5), die sind nicht durchgängig, und so weiter - die Augen sind etwas dunkel, ich habe keinen Glanz in den Augen, kaum Reflex in den Augen (6). Und das Gleiche kann ich auch bei den Haaren fortsetzen.
Also: Darum würde ich dieses Bild jetzt zum Beispiel nicht für eine Kosmetik-Kampagne verwenden. Wenn ihr euch Kosmetikbilder vorstellt, Werbebilder vorstellt, die sehen nicht so aus. Die sehen so aus (rechtes Bild) - und die sehen so aus, weil sie natürlich erstens speziell dafür fotografiert worden sind, die sehen aber auch so aus, weil in so einem Bild schon mal ein Tag Arbeitszeit steckt oder vielleicht schon mal vier, fünf Stunden nur an der Haut rumgebastelt wurde und eine Stunde an den Lippen und so weiter und so fort.
Das ist für mich also der Unterschied zwischen einer Low-end- und einer High-end-Retusche. Ich muss zuerst mal überlegen: Was hat das Bild denn für eine Aufgabenstellung? Was soll es für einen Zweck erfüllen? Erfüllt es überhaupt einen Zweck oder soll es einfach nur nett aussehen für meinen Kunden? Arbeite ich zum Beispiel in einem ganz normalen Fotostudio und der Kunde kommt herein und sagt: „Ich hätte gerne fünf schöne Fotos von mir.“ - Fünf schöne Fotos?! - die werde ich möglichst natürlich retuschieren.
Ich blende dir hier mal das Vorher und das Nachher ein. Du siehst: Vorher gab es kleine Fältchen im Mundbereich, es gab unter zehn große Störungen (Pfeile im Bild). Es gab ein paar Fältchen unter den Augen und so ein bisschen Schatten unter den Augen (1).
Und wenn du dir die Retusche dann einblendest (Nachher), dann siehst du: Aha, es ist hier ein bisschen aufgehellt (2), die Fältchen sind wegretuschiert, die Sommersprossen sind natürlich alle noch da. Dahinten der Schatten beim Auge (3) ist ein bisschen aufgehellt worden. Ja, und der Glanz in den Haaren ist auch ein bisschen verstärkt.
Das ist alles, was bei dem Bild gemacht ist. Ansonsten ist das wie aus der Kamera. Diese Retusche, das kann ich alles auf ein, zwei leeren Ebenen machen. Vielleicht noch eine Dodge-and-Burn-Retusche, um ein bisschen aufzuhellen, aber fünf bis zehn Minuten, mehr Zeit steckt in dem Bild nicht drin. Und ich finde, von der Haut her kann es sich sehen lassen, weil das ist ein natürliches Bild. Das ist eine Low-end-Retusche, die gut aussieht.
Bei dem Bild hier (1) zeige ich dir mal, wie die Reparaturebene aussieht (2). Ich gehe mal so auf 50 % oder vielleicht auch auf 100 %. Du siehst an der Nase: Ich würde mal sagen, drei bis fünf Minuten ist in dem Bereich schon mal rumgepinselt worden. Und das allein ist jetzt nur die Reparaturebene. Auf der werden wirklich Poren geschlossen, eine neben der anderen. Alles, wo hier irgendwie auch noch so ein kleines Härchen wächst, das wird wirklich rausretuschiert, weil in dieser High-end-Retusche, wie es für Werbezwecke üblich ist, da brauche ich wirklich jede Pore, die muss super klar sichtbar sein, das Hautbild muss strukturiert sein. Das ist hier die erste Geschichte, die ich mache - und wenn das noch so lange dauert. Und ich denke, das allein hat mich gut eine Stunde gekostet, mindestens.
Das ist also der Unterschied: Hier mache ich die groben Unreinheiten weg, bei der normalen Retusche (links). Bei einer High-end-Retusche (rechts) zoome ich erst mal meistens so auf 200 % ran und sage: „Okay, jetzt sehe ich alle Poren und jetzt geht es los, jetzt wird repariert.“
Das gleiche Spiel mache ich dann mit Aufhellen und Abdunkeln bei diesem Bild (1). Ich blende mal meine beiden Dodge-and-Burn-Ebene hier ein. Das ist also die lokale Dodge-and-Burn-Ebene (2).
Wenn du hier ran zoomst: Du siehst viele, viele kleine Flächen. Also auch das wäre jetzt wieder der Bereich der Nase (1 und 2). Und da geht es ans Eingemachte. Da dunkle ich kleine Fältchen ein bisschen ab, wenn ich sie noch prägnanter haben will, oder ich helle sie auf, wenn ich sie raushaben will.
Ich gehe auch in die Iris (3), in die Pupille rein und helle mir hier die Glanzeffekte auf, mach das Weiß noch ein bisschen weißer. Also da geht es wirklich ins Detail.
Und auf der globalen Dodge-and-Burn-Ebene bringe ich dann meine Glanzstellen, Lichter und Tiefen, alles so an die richtigen Positionen. Das alles zusammen dauert wiederum vielleicht noch mal eine Stunde, vielleicht zwei, wenn ich das auf den Poren, auf dem ganzen Gesicht mache.
Und das führt dazu, dass ich nach Stunden von Arbeit hier ein High-end-Bild bekomme. Es ist immer ein bisschen schade, wenn du so was im Internet veröffentlichst, weil alle werden sagen: „Ah, die Haut ist ja furchtbar glatt.“ Klar ist die furchtbar glatt, wenn ich das in der Facebook-Auflösung hochlade, dann sieht man hier keine Struktur mehr. Aber wenn du mal auf 100 % ran zoomst, dann siehst du eigentlich, dass jede Pore vorhanden ist. Die Haut ist einfach nur komplett gesäubert. Klar ist das nicht natürlich und niemand läuft so auf der Straße rum, aber die Werbeindustrie verlangt das leider von uns.
Das Ganze zielt eventuell auch noch mal so einen riesen Rattenschwanz nach sich, was hier eigentlich noch gemacht werden sollte und was nicht und wie das ganze Bild auch unsere Wahrnehmung verfälscht. Man darf aber auch nicht vergessen: Der Otto-Normalverbraucher, glaube ich, der lässt sich da so gar nicht in die Irre führen, der sieht sehr wohl: „Das Werbeplakat hat nichts mit Natürlichkeit zu tun und das hier, das Low-end-Bild, das ist ein echtes Foto.“ Aber wir, die wir uns tagtäglich mit diesen Fotos beschäftigen - ich glaube, dass unsere Wahrnehmung irgendwo zwischendrin immer hin- und herpendelt. Und die Grenzen zu ziehen - was ist noch natürlich und was ist schon High-end-Retusche und absolut unnatürlich - das wird immer verschwommener zwischen diesen beiden Bereichen. Und ich denke, wir Retuscheure oder auch Hobby-Bildbearbeiter oder Fotografen, wie wir uns auch immer nennen wollen, wir pendeln so zwischen diesen beiden Welten. Und manchmal ist es gar nicht mal so einfach, diese Gratwanderung hier richtig zu vollziehen.
Das war es zum Thema High-end-Retusche versus Low-end-Retusche: Normale, Standardretusche - ein Bild etwas verbessern, Defizite ausgleichen - und ein Bild letztendlich in ein Kunstbild zu verwandeln.