Hier eine Übersicht über die einzelnen Kapitel:
Teil 01 - "Traumberuf" Konzertfotograf?
Teil 02 - Rechtliche Fragestellungen
Teil 03 - Besonderheiten Konzertfotografie
Teil 04 - Das Verhalten im „Graben“
Teil 05 - Die sinnvolle Ausrüstung für Konzertfotografen
Teil 06 - Tipps und Tricks der (Konzertfotografie-) Profis
Teil 07 - Bildgestaltung (Teil 1)
Teil 08 - Bildgestaltung (Teil 2)
Teil 09 - Empfehlenswerte Kamera-Einstellungen
Teil 10 - Die Nachbereitung
Vorwort
Mittlerweile ist es Standard geworden, dass die akkreditierten Fotografen nur noch drei Lieder fotografieren dürfen. Ausnahmen gibt es natürlich, doch sobald man bei einem bekannteren Künstler oder einer bekannteren Band fotografieren möchte, wird man mit der Fotografiedauer von nur drei Liedern vorliebnehmen müssen. Hinzu kommt, dass die Lichtbedingungen extrem schwer einzuschätzen sind, denn bei den meisten Konzerten (zumindest bei Pop- und Rock-Konzerten) ändern sich diese ständig – und schnell.
Wir Konzertfotografen sind nicht bei allen Beteiligten gern gesehene Gäste: Den übrigen Zuschauern (zumindest denen in der ersten Reihe) stehen wir meist im Weg. Dem Veranstalter machen wir Arbeit (die Akkreditierung). Der Security sind wir ein Dorn im Auge, weil Sicherheitsaspekte dagegen sprechen, den Graben vor der Bühne mit Pressefotografen zu „füllen“. Die Musiker fühlen sich oftmals gestört, selbst wenn wir ohne Blitz fotografieren.
Wir stehen eben ganz nah und die Musiker nehmen uns entsprechend wahr. Das kann von der Konzentration auf die Musik und das Publikum ablenken. Deshalb ist „Unauffälliges Verhalten“ auch oberstes Gebot der Konzertfotografen. Die Musikmanager mögen uns auch nicht, denn sie würden am liebsten alle Fotos, die ihnen nicht genehm sind, zensieren, wenn es die Schützlinge in nicht 100%ig vorteilhaften Posen zeigt.
Und last, but not least gehört rechtliches Know-how immer mehr zum Handwerkszeug der Konzertfotografen. Bilder sind schnell veröffentlicht – doch ohne (schriftliche!) Erlaubnis ist das ein „mutiges“ Unterfangen!
Dennoch ist das Fotografieren bei Konzerten äußerst reizvoll. Vielleicht, gerade weil die Bedingungen so schwer sind? Und bestimmt auch, weil die Stimmung bei den Live-Konzerten einen schönen Rahmen bietet.
Außerdem profitieren unsere Fotos auch vom Einsatz aufwendiger Veranstaltungstechnik, insbesondere von der Lightshow. Beeindruckende Bilder sind oft das Resultat unserer Bemühungen; sie sind eine Mischung aus dem Können des Fotografen, der richtigen Ausrüstung, der tollen Lichteffekte und, wie bei nahezu allen guten Fotos, einer kleinen Portion Glück.
Jens Brüggemann, im November 2013
Abbildung 0-1: Viel Spaß beim Lesen wünscht euch Jens Brüggemann, www.jensbrueggemann.de.
(Foto © 2013: WHG Neuse)
„Traumberuf“ Konzertfotograf?
Die Konzertfotografie gehört sicherlich zu den beliebtesten Genres der Fotografie. Nirgendwo anders bekommt man so schnell wie hier spektakulär anmutende Szenen vor die Linse, denn Konzertfotografen profitieren vom Zwang der Konzertveranstalter und Künstler, dem Publikum, um erfolgreich zu sein, eine furiose Show zu bieten.
Je nach Musikrichtung gibt es natürlich auch Ausnahmen, eine fulminante Show bieten zu müssen, doch man kann bestimmt getrost behaupten, dass der Großteil aller bedeutenden Konzerte ohne eine aufwendige Licht- und Bühnen-„Show“ nicht mehr auskommt. Und auch die Künstler sind in den allermeisten Fällen bestrebt, ihre Lieder nicht nur technisch perfekt wiederzugeben, sondern – mit viel „Action“ (man denke beispielsweise an das Abfeuern der Kanone bei AC/DC oder die einstürzende „Wall“ bei Pink Floyd/Roger Waters) – geradezu „theatralisch“ zu präsentieren.
Abbildung 1-1: Auch Kylie Minogue (hier in Berlin bei ihrer „Aphrodite – Les Folies“-Tour 2011) weiß um die Macht der Bilder. Eine furiose Show gehört bei ihren Konzerten seit Jahren dazu. Aufwendige Bühnenbilder, akrobatische Tänzer und Tänzerinnen, tolle Kostüme – all dies bietet genug fürs Auge des Zuschauers, damit er tief beeindruckt nach dem Konzert nach Hause gehen kann. Der musikalische Genuss tritt da, so der Eindruck, bisweilen ein wenig in den Hintergrund …
(Foto © 2011: DAVIDS/Sven Darmer – www.svendarmer.de)
Denkt man an die Anfänge des Punk zurück, in den siebziger Jahren, so kann man getrost behaupten, dass liedtechnische Perfektion bei nicht wenigen Konzerten eher zweitrangig ist – solange die Show stimmt und die Band gute (Pogo-) Stimmung verbreitet.
Doch auch schon in den Jahrzehnten zuvor gab es immer wieder Bands, die verstanden, dass die Besucher von Konzerten nicht nur wegen des Hörerlebnisses kamen, sondern dass, neben dem Gemeinschaftsgefühl, auch das Visuelle eine große Rolle für den Erfolg oder den Misserfolg der Konzerte spielt. The Who beispielsweise sind erst dann bekannter und schlussendlich auch berühmt geworden, als Pete Townshend beim Live-Konzert 1964 in London in der Railway Tavern versehentlich bei einem seiner Sprünge mit dem Gitarrenhals an die zu niedrige Hallendecke stieß und dieser abbrach. Vor Wut zertrümmerte er umgehend den Rest der Gitarre, was die Konzertbesucher derart begeistert aufnahmen, dass dieses Gitarrezertrümmern am Ende eines jeden Konzerts für lange Zeit zum festen – und vom Publikum geliebten und dann auch bei jedem Konzert fest erwarteten – Standardprogramm von The Who gehörte.
Dass diese publikumswirksame „Action“ übrigens dazu führte, dass The Who, aufgrund wöchentlich zertrümmerter Gitarren, lange Zeit nur rote Zahlen schrieben und ums finanzielle Überleben kämpfen mussten, sei hier nur am Rande erwähnt. Pete Townshend hatte sich nämlich geweigert, billigere Gitarren bei seinen Konzerten zu verwenden. Er bestand darauf, bei jedem Konzert seine hochwertige Lieblingsgitarre zu spielen, die dann zwangsläufig jedes Mal am Ende auch spektakulär zertrümmert wurde. Und auch Schlagzeuger Keith Moon ließ es sich nicht nehmen, sein Schlagzeug martialisch zu zerstören, wofür er mehrfach sogar Schwarzpulver einsetzte, was einmal allerdings, am 17. September 1967, beim Konzert in einem Fernsehstudio zu Verletzungen der Bandmitglieder führte (er hatte diesmal zu viel Schwarzpulver verwendet).
Auch wenn The Who die ersten waren, die durch Zerstörung ihrer Instrumente Aufmerksamkeit – und Erfolg – erzielten, war es drei Jahre später Jimi Hendrix (bürgerlich: James Marshall Hendrix), der durch Verbrennung seiner immer noch dröhnenden Fender Stratocaster auf der Bühne sich ins kollektive Gedächtnis der Musikliebhaber einbrannte. Anders als The Who inszenierte er die Verbrennung seiner Gitarre nicht als reine Zerstörung, sondern beschwor regelrecht die Flammen mit seinen Händen, was wie eine Opfergabe an den Musikgott wirken mochte – und ihm Verbrennungen an den Fingern einbrachte, die im Krankenhaus behandelt werden mussten. Doch von nun an war Jimi Hendrix Legende. Die Macht der Bilder!
(Die Folge war, dass sich The Who und Hendrix in Zukunft weigerten, bei großen Konzerten jeweils hinter dem anderen aufzutreten, um nicht wie ein billiger Abklatsch des jeweils anderen zu wirken. Beim Monterey Pop Festival 1967 in Kalifornien, bei dem beide bereits gebucht waren, entschied dann übrigens der Münzwurf des Festival-Veranstalters, wer zuerst spielen durfte).
Abbildung 1-2: Es muss nicht immer Zerstörungswut oder Opfergabe sein. Je nach Musikgenre passt es ja auch nicht, seine Instrumente kaputtzuhauen. Stattdessen zeigen manche Künstler artistische Show-Einlagen. Ob das Klavier besser klingt, wenn Dick Brave alias Sasha wie eine Pirouetten drehende Eiskunstläuferin auf einem Bein steht (und dabei spielt), sei dahingestellt. Aber gut sieht´s aus und die Zuschauer lieben es. Und wir Fotografen profitieren ja letztendlich auch davon, wenn es ein wenig „Action“ auf der Bühne gibt …! Nikon D4 mit 1,4/85mm-Nikkor. 1/400 Sekunde, Blende 2,5, ISO 2500.
(Foto © 2012: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Die schönen und die weniger schönen Seiten der Konzertfotografie
Abbildung 1-3: Bei der Konzertfotografie treffen gleich zwei verschiedene Hobbys aufeinander: Musik hören und Fotografie. Vermutlich ist die Konzertfotografie deshalb bei vielen Fotografen so beliebt. Eine oftmals unklare Rechtslage, organisatorische Probleme bei der Beschaffung der Akkredition, unverschämte Knebelverträge und die Beschränkung der Fotografierzeit auf oftmals nur 1-3 Lieder sind allerdings die Schattenseiten dieses spannenden Genres. Nikon D4 mit 2,8/14-24mm Weitwinkel-Nikkor bei verwendeter Brennweite 14mm. 1/640 Sekunde, Blende 2,8, ISO 4000.
(Foto © 2012: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Die schönen Seiten der Konzertfotografie
Konzertfotografen können gleich zwei ihrer Hobbys miteinander vereinen: Das Fotografieren und Musikhören. Wer dann noch gerne Massenveranstaltungen besucht, um sich dem Gemeinschaftsgefühl hinzugeben, wird sich bei Konzerten besonders wohlfühlen, denn Gedränge im Konzertsaal (und meist auch im Pressegraben) gehören unweigerlich dazu. Doch auf diese Weise lernt man auch schnell andere Menschen kennen; Gleichgesinnte; was ebenfalls ein schöner Aspekt dieser Arbeit ist. Die Konzertbesucher sind ja in der Regel alle „gut drauf“, haben Spaß, wollen sich amüsieren. Insofern ist es ein sehr angenehmes Umfeld, in dem man die Fotos macht (sofern man den Fans in den ersten Reihen nicht die freie Sicht auf ihre Idole nimmt, was gerade bei Teenies zu unschönem Gekeife führen kann).
Abbildung 1-4: Konzerte sind Massenveranstaltungen. Hierher kommen die Konzertbesucher, um sich zu amüsieren und um Spaß zu haben. Je nachdem, welcher Künstler oder welche Gruppe auftritt, ist das Publikum eher weiblich und sehr jung (wie bei diesem Foto, welches kurz vor einem Konzert von Tim Bendzko beim Zeltfestival Ruhr am 24. August 2012 aufgenommen wurde) oder grauhaarig und „mit viel Lebenserfahrung“. Oder nicht selten auch bunt gemischt. Nikon D4 mit 2,8/14-24mm-Weitwinkel-Nikkor bei verwendeter Brennweite 14mm. 1/100 Sekunde, Blende 4, ISO 3200.
(Foto © 2012: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Wie schon ausgeführt, profitieren wir Fotografen von viel „Action“ und Theatralik der auftretenden Künstler und ihren aufwendigen Bühnenshows.
Insbesondere die Lichteffekte sind extrem wirkungsvoll und jedes noch so einfache Foto wirkt schon allein dann, wenn eine besondere Beleuchtungssituation bei der Aufnahme stattfand (die richtige Belichtung vorausgesetzt).
Konzerte zu fotografieren ist nicht wie arbeiten. Es ist eher wie ein Freizeit-Vergnügen, ein Erlebnis, das Spaß macht. Doch das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass Konzertfotografie sowohl in der Planung und Vorbereitung als auch in der Nachbereitung zu erheblichem Aufwand führen kann. Doch darüber später mehr.
Abbildung 1-5: Stimmungsvolle Lichteffekte vor allem im Hintergrund sorgen für (beleuchtungstechnische) Abwechslung und garantieren, dass es visuell nicht langweilig wird, auch wenn ansonsten nicht allzu viel passiert. Hier zu sehen ist Milow, beim Konzert am 1. September 2011. Nikon D3S mit 4/24-120mm-Nikkor bei verwendeter Brennweite 24mm. 1/200 Sekunde, Blende 4, ISO 1600.
(Foto © 2011: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Abbildung 1-6: Ein weiterer Vorteil der Konzertfotografie ist, dass wir Bildberichterstatter den Stars so nahe kommen wie sonst niemand aus dem Publikum. Wir sehen Details (zum Beispiel die Mimik oder auf den Bühnenboden geklebte Songtexte), die sonst niemand aus dem Publikum wahrnehmen kann. Kurz: Wir stehen in der ersten Reihe – und sei es nur für drei Songs. Hier zu sehen ist Adel Tawil vom Duo ich & ich beim Konzert am 1. September 2010 in Bochum/Witten im Rahmen des Zeltfestivals Ruhr. Nikon D3S mit 2,8/24-70mm-Nikkor bei verwendeter Brennweite 24mm. 1/640 Sekunde, Blende 3,2, ISO 3200.
(Foto © 2011: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Die nicht so schönen Seiten der Konzertfotografie
Doch es gibt auch Schattenseiten der Konzertfotografie, denn als Konzertfotograf arbeitet man unter starken Einschränkungen:
• In der Regel darf man kein eigenes Licht verwenden. Man ist folglich angewiesen auf das, was der Konzertveranstalter an beleuchtungstechnische Gestaltung vorgesehen hat.
• Die Anzahl der Lieder, bei denen fotografiert werden darf, ist normalerweise fest vorgegeben. Meistens sind es die ersten drei Lieder. Mehr nicht. Manchmal jedoch sind es noch weniger: Beim „The Wall“-Konzert von Roger Waters am 7. September 2013 in Düsseldorf beispielsweise durfte nur während des ersten Liedes fotografiert werden. Konzertfotografen fühlen sich daher immer ein wenig „gehetzt“, trotz der zeitlichen Restriktionen ein gutes Foto abzuliefern.
• Die Konzertfotografen haben keinerlei Einfluss auf Standpunkt, Posen, Mimik, etc. der fotografierten Künstler.
• Die Verwendung der Fotografien wird oftmals stark vom Management der Band oder vom Konzertveranstalter eingeschränkt. Sie dürfen beispielsweise oftmals nur zur aktuellen Berichterstattung verwendet werden.
• Konzertfotografen dürfen sich meist nur in einem sehr kleinen Bereich, der sich oft unmittelbar direkt vor der Bühne befindet und aus perspektivischen Gründen suboptimal ist, bewegen. Der im Vergleich zu den Musikern auf der Bühne niedrigere Standpunkt ist schuld daran, dass die meisten Konzertfotos die typische Perspektive (von unten nach schräg oben fotografiert) aufweisen.
• Immer wieder bekommen Konzertfotografen sogar genauestens vorgeschrieben, wie lange und von wo aus sie den oder die Künstler fotografieren dürfen (zum Beispiel von welcher Seite). So durfte man bei einem Auftritt von Britney Spears nur die ersten 30 Sekunden der ersten drei Songs fotografieren (was eine Gesamtfotografierdauer von 1,5 Minuten ergibt!), denn das Management wollte keine Schweißperlen auf den Bildern seines Stars finden … Bei einem Robbie-Williams-Konzert ging das Management sogar so weit, dass im Vertrag die genauen Blickwinkel festgelegt waren, aus welchen fotografiert werden durfte.
Abbildung 1-7: Konzertfotos werden meist unter strengen Restriktionen geschossen. Eine davon ist der weitgehend vorgegebene Kamerastandpunkt: Wenn sich der Graben, aus dem fotografiert wird, direkt vor der Bühne befindet, bleibt den Fotografen als einzige Möglichkeit, mit angewinkelter Kamerahaltung von unten nach oben zu fotografieren. Der Effekt ist umso stärker, je näher die Musiker am Bühnenrand operieren und je kleiner die Bühne ist. Dann sieht man schlimmstenfalls kaum noch die Köpfe der Musiker, während die Schuhe und Beine im Vordergrund stehen. Hier habe ich am 20. August 2011 Culcha Candela im Konzert fotografiert, die so nah vor mir auf der Bühne standen, dass ich ihre Schnürsenkel hätte öffnen können …
Etwas abmildern kann man diese Konsequenz, wenn man nicht diejenigen Musiker fotografiert, die direkt vor einem auf der Bühne am Rand stehen, sondern diejenigen, die man leicht seitlich fotografieren kann und die ein klein wenig weiter entfernt sind (dann nicht mit einem Weitwinkel-, sondern eher mit dem Teleobjektiv). Nikon D3S mit 4/24-120mm-Nikkor bei verwendeter Brennweite 98mm. 1/400 Sekunde, Blende 4, ISO 3200.
(Foto © 2011: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Konzertfotografen fühlen sich nicht selten als ungeliebte „Störfaktoren“: für die Bands, die Besucher, die Security, die Veranstalter, etc.:
• Die Musiker sind misstrauisch. Sie haben Angst, in einem ungünstigen oder gar peinlichen Moment abgelichtet zu werden. Sie setzen Konzertfotografen gleich mit Paparazzi.
• Andere Konzertbesucher fühlen sich manchmal gestört von den Fotografen. Zumindest die Zuschauer in den ersten Reihen mögen es gar nicht, wenn die Fotografen in den Graben gelassen werden und sich zwischen Bühne und ersten Zuschauerreihen postieren. Sie sind schlicht im Weg.
• Für die Security bedeutet das Vorhandensein der Konzertfotografen erstens mehr Arbeit und zweitens ein erhöhtes Sicherheitsrisiko. Außerdem stören die Konzertfotografen bei Einsätzen, wo beispielsweise Zuschauer, die ohnmächtig geworden sind, aus der Menge herausgefischt und durch den Graben raus zu den Sanitätern gebracht werden.
• Für die Veranstalter bedeuten Konzertfotografen mehr Arbeit. Und wer weiß, was bei der Organisation eines Konzertes oder eines Festivals alles organisiert werden muss, kann nachvollziehen, dass jeder zusätzliche Aufwand einfach nur „nervt“.
• Für die Kollegen, die anderen Konzertfotografen, bedeutet jeder weitere Fotograf zusätzlich im Graben, dass die Arbeit schwieriger wird, weil die Fotografen sich zwangsläufig gegenseitig (aber unabsichtlich) behindern. Dies gilt zumindest bei Konzerten der bekannteren Bands, wo sich naturgemäß auch viel mehr Fotografen akkreditieren lassen.
Fazit
Konzertfotografen werden von den wenigsten „geliebt“; sie werden lediglich geduldet. Doch auch wenn es niemand zugeben möchte, ganz überflüssig sind Konzertfotografen nicht, denn sie sind es, die werbewirksame Bilder von den Veranstaltungen erstellen und verbreiten, wovon wiederum alle anderen profitieren. Würde nämlich die Berichterstattung von den Konzerten unterbleiben, gäbe es viel weniger Konzertveranstaltungen und damit mehr arbeitslose Musiker, mehr arbeitsloses Security-Personal, mehr arbeitslose Konzertveranstalter etc. Grund genug also für jeden Konzertfotografen, selbstbewusst seine Interessen auch gegen Widerstände durchzusetzen.
Abbildung 1-8: Auch hier beim Jan Delay-Konzert am 28. August 2010 gab es erst einige lange Gesichter, als wir Fotografen, direkt zu Konzertbeginn, in den Graben eingelassen wurden. Die Mädels in den ersten Reihen dachten, dass sie einen ungestörten Blick auf ihre Stars hätten – bis wir kamen. In solchen Fällen empfiehlt es sich, einfach kurz den Konzertbesuchern in der ersten Reihe mitzuteilen, dass man nach den ersten drei Liedern schon wieder das Feld räumt, sodass sie den überwiegenden Teil des Konzertes auch ungestört genießen können. Das beruhigt dann die aufgebrachten Fans recht schnell. Nikon D3S mit 2,8/24-70mm-Nikkor bei verwendeter Brennweite 24mm. 1/100 Sekunde, Blende 3,5, ISO 3200.
(Foto © 2010: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Möglichkeiten für Einsteiger
Generell gilt: Je berühmter und populärer der oder die Künstler aktuell ist beziehungsweise sind, desto schwieriger wird es sein, einen „offiziellen“ Status als akkreditierter Fotograf zu bekommen. Gerade Einsteiger in den Bereich Konzertfotografie haben es daher schwer, sich akkreditieren zu lassen. Schließlich muss man auch die Veranstalter verstehen, die natürlich misstrauisch jeden Akkreditierungswunsch beäugen. Sicherlich gibt es genügend Musikliebhaber und Fans, die frei nach dem Motto „wenn ich eine Kamera mitnehme, brauche ich kein Eintrittsgeld zu zahlen“ versuchen, kostenlos – als angeblicher Fotograf – ein Konzerterlebnis zu ergattern.
Wenn der Künstler oder die Band aber noch weitgehend unbekannt ist oder aktuell nicht mehr in den Charts vertreten ist, so dürfte es leichter sein, eine Akkreditierung zu bekommen, denn dann sind auch die Journalisten, die über das Konzert berichten wollen, nur noch rar gesät.
Wer überhaupt noch keine Fotos als Konzertfotograf vorweisen kann, der sollte am besten – zum Üben – Konzerte besuchen, die für jedermann frei zugänglich sind. Solche finden in jedem Sommer zum Beispiel in vielen Innenstädten statt. Der Eintritt ist frei, und viele Festivals haben trotzdem – und dank der Sponsoren – tolle Live-Gigs am Start.
Abbildung 1-9: In den Sommermonaten gibt es viele „draußen und umsonst“-Festivals (hier ein Schnappschuss vom Mega! Mega!-Konzert am 12. Juli 2013 bei Bochum Total), wo man vielleicht nicht gerade internationale Top-Stars erwarten kann, wo aber immer wieder interessante Newcomer und national bekannte Künstler auftreten. Diese Festivals sind für Konzertfotografen hervorragend zum Üben geeignet; man muss sich nur, wenn man zu spät kommt, durch die Menschenmenge kämpfen, um eine bessere Position (möglichst in der ersten Reihe) zu bekommen. Nikon D800 mit 2,8/70-200mm-Nikkor bei verwendeter Brennweite 70mm. 1/125 Sekunde, Blende 5,6, ISO 800.
(Foto © 2013: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Wer sich beeilt und eine halbe Stunde vor Konzertbeginn zur Bühne kommt, ergattert bestimmt noch einen der freien Plätze in der ersten Reihe, von wo aus sich hervorragend, zum Beispiel mit einem Tele-Zoomobjektiv (wegen der etwas größeren Entfernung zur Bühne), fotografieren lässt.
Zwar hat man – anders als im Pressegraben – während des Konzerts nicht mehr die Möglichkeit, beliebig seinen Standpunkt zu verändern (wenn man die anderen Konzertbesucher nicht stören möchte), doch bietet der Standpunkt vom Zuschauerraum aus auch Vorteile gegenüber einem Standpunkt im Graben: Aufgrund der etwas längeren Distanz zur Bühne (meist nur 3-4 Meter Unterschied) sind Aufnahmen möglich, die nicht ganz so sehr die Perspektive von unten zeigen. So kann man die Musiker mehr frontal ablichten – und nicht so stark von unten.
Abbildung 1-10: Auch Einsteiger im Bereich Konzertfotografie haben die Möglichkeit, eindrucksvolle Fotos von Musikern während ihrer Konzerte zu erstellen. Gut geeignet hierfür sind öffentliche, frei zugängliche Konzerte, wie sie oftmals im Sommer in den Innenstädten vieler Städte stattfinden. Dort braucht man sich nicht akkreditieren zu lassen, man fotografiert einfach aus dem Publikum heraus. Wenn man es schafft, eine halbe Stunde vor Konzertbeginn an der Bühne zu sein, dann kann man meist noch einen Platz in der ersten Reihe ergattern (vorausgesetzt, die Band ist nicht gerade dabei, die Charts zu stürmen, und ist dermaßen angesagt, dass die Groupies schon Stunden vorher die besten Plätze belegen).
Von dort aus hat man fast genauso gute Bedingungen zum Fotografieren wie aus dem Pressegraben heraus – man steht lediglich ein klein wenig weiter entfernt zur Bühne als die Pressefotografen. Diesen Nachteil kann man dann ganz einfach wieder wettmachen, indem man zum Beispiel ein Telezoom verwendet. Gut geeignet hierfür ist das 2,8/70-200mm, welches es von fast jedem Hersteller gibt.
Diese Aufnahme vom KMPFSPRT-Konzert entstand am 13. Juli 2013 bei Bochum Total. Nikon D800 mit 2,8/70-200mm-Nikkor bei verwendeter Brennweite 200mm. 1/640 Sekunde, Blende 5, ISO 1000.
(Foto © 2013: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Zum Üben sind diese „draußen und umsonst“-Festivals auch deshalb so gut geeignet, weil es in den Sommermonaten länger hell ist. Dadurch ist die Lichtsituation auf der Bühne für uns Fotografen meist deutlich leichter zu beherrschen als beispielsweise bei Konzerten in Innenräumen (wie Hallen, Clubs, Zelten, etc.).
Hinweis
Entscheidend in der Konzertfotografie ist, dass der Neueinsteiger erstens den Ehrgeiz hat, möglichst schnell gute bis außergewöhnliche Fotos von den Künstlern zu machen (um mit diesen Referenzen weitere Türen öffnen zu können), zweitens die Flexibilität und Ausdauer besitzt, auch bei Widerständen seinen Weg zu gehen, und drittens gewillt ist, neben den fotografischen Aufgaben auch die organisatorischen und rechtlichen Probleme zu lösen.
Zukunftsaussichten für Konzertfotografen
Die Zukunftsaussichten für Konzertfotografen sind düster. Düsterer noch als die Lichtverhältnisse in den schummrigen Clubs, wo nur die lokalen Größen und die unbekannteren Gruppen auftreten.
Doch warum ist das so?
• Aufgrund der technischen Entwicklung (Stichwort Internet) sind die Verkaufszahlen der Tonträger seit Jahren unbarmherzig gesunken, was dazu geführt hat, dass mittlerweile die Musiker von den Einnahmen aus dem Tonträgerverkauf nur in den seltensten Fällen noch leben könnten. Während früher die Konzerttourneen das Zeil hatten, den Tonträgerverkauf zu fördern, ist es heutzutage fast umgekehrt: Die Tantiemen aus dem CD-Verkauf und den Downloads sind so gering, dass die Tourneen dazu dienen müssen, das Geld einzuspielen. Dies führte dazu, dass die Berichterstattung durch Wort und Bild von den Konzertmanagern mehr als nur kritisch beäugt wird: Sie nehmen mittlerweile großen Einfluss darauf, wer wie und wann beim Konzert berichten darf. Dies ging zulasten der freien Berichterstattung und damit auch zulasten der Pressevielfalt und -Freiheit.
• Damit einhergehend wurden die Rahmenbedingungen für die Fotografen immer weiter verschlechtert. Innerhalb weniger Jahre hat es sich international eingebürgert, dass die Fotografen nicht mehr über das gesamte Konzert mit Bildern berichten dürfen, sondern lediglich über die ersten drei Songs. Das Verheerende dabei ist, dass es nie zu einem solidarischen Aufschrei der betroffenen Medien und ihrer für sie tätigen Fotografen kam und diese Einschränkungen einfach so hingenommen wurden. Heutzutage sind die Fotografen fast dankbar, wenn sie die ersten drei Lieder ungestört fotografieren dürfen, denn nicht wenige Bands (und ihre Manager und die Konzertveranstalter) haben die Fotografiererlaubnis noch weiter eingeschränkt. Es gibt nun genügend Beispiele, wo nur noch während des ersten Liedes fotografiert werden darf, oder beispielsweise nur während der ersten 30 Sekunden der ersten drei Lieder (weil das Management nur Fotos von ihren „frisch“ aussehenden Künstlern im Umlauf wissen möchte). Und auch die Künstler sind oft eitel und möchten keine Fotos haben, bei denen schweißverklebte Haare und verlaufene Schminke zu sehen sind.
• Die Preise für Fotos sind vielleicht nicht sonderlich gefallen, sind relativ konstant geblieben; aber die Kosten der Fotografen (für ihr Equipment, für Fahrten zu den Konzerten, für Bildbearbeitung und Datensicherung, etc.) sind enorm gestiegen. Der erzielte Gewinn ist dadurch bedeutungslos gering geworden.
• Die Konkurrenz (auch aus dem Umfeld der Amateurfotografen) ist größer geworden. Es gehört fast schon zum guten Ton, wenn ein Hobbyfotograf behaupten kann, mit seinem Hobby Geld zu verdienen (auch wenn er es vielleicht gar nicht nötig hat als Lehrer, Zahnarzt, Manager, …). Während Profifotografen aber ihrer Tätigkeit (steuer-) rechtlich korrekt nachgehen, läuft der Fotoverkauf vieler Amateure leider oft genug im Dunkelbereich der Schwarzarbeit ab.
• Im Zeitalter des „Geiz ist geil“ und der „Kostenlos-Mentalität“ des Internets ist es (nicht nur) für Konzertfotografen schwer geworden, überhaupt noch Abnehmer für ihre Aufnahmen zu finden, die für die kommerzielle Verwertung (zum Beispiel Abdruck in Zeitschriften oder Veröffentlichung im Internet) auch bereit sind, Geld zu bezahlen.
• Nicht nur Amateurfotografen machen den Konzertfotografen Konkurrenz. Nahezu jede(r) Konzertbesucher(in) macht während des Konzerts mit dem mitgebrachten Handy Fotos und Videos, die noch während der Veranstaltung ins Netz gestellt werden. Berichten (Internet-) Zeitungen Stunden oder am nächsten Tag (also einen Tag später) von dem Ereignis, so wirken die professionellen Bilder fast schon veraltet und peinlich unaktuell.
• Da sich die Anzahl der Konzerte aufgrund zurückgegangener Tonträgerverkäufe geradezu inflationär erhöht hat (zum Beispiel haben die Arctic Monkeys innerhalb von eineinhalb Jahren 4x in Berlin gespielt, ohne in diesem Zeitraum 2009-2010 ein neues Album herausgebracht zu haben), ist das öffentliche Interesse an der Berichterstattung hierüber deutlich gesunken. Früher war ein Konzert etwas Besonderes. Heute überlegen sich die Leute, ob sie kommendes Wochenende ins Konzert, zum Grillen oder ins Kino gehen sollen. Konzertbesuche sind nichts Besonderes mehr.
• Bei Top-Acts gibt es nicht selten Knebelverträge; Konzertfotografen, die keine große Zeitung im Rücken haben und in rechtlichen Dingen unsicher sind, lassen dann lieber die Finger davon, sich akkreditieren zu lassen; aus Angst, die Fotos sowieso nicht verwerten zu können.
Fazit zum Thema
Es gibt leider kaum noch Konzertfotografen, die hauptberuflich vom Verkauf ihrer Konzertfotos leben können. Weitere Standbeine und Einnahmequellen (zum Beispiel als Promi- oder Presse-Fotograf) sind dann vonnöten.
Abbildung 1-11: Handys, die zum Fotografieren hochgehalten werden, sind bei Konzerten mittlerweile Standard. Die Fans machen Fotos und Videos, die oft umgehend ins Netz gestellt werden, was rechtlich meist nur als „sehr mutig“ bezeichnet werden kann. Dieses Vorgehen macht zudem auch den Profifotografen das Leben schwer, denn wer interessiert sich noch für die professionelle Berichterstattung, wenn bei facebook & Co. bereits während des Konzerts Dutzende Bilder und Videos (und eine Menge Kommentare dazu) zu betrachten sind? Nikon D800 mit 2,8/70-200mm-Nikkor bei verwendeter Brennweite 70mm. 1/200 Sekunde, Blende 5,6, ISO 1000.
(Foto © 2013: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Abbildung 1-12: Nur wer sich auch gegen Widerstände durchboxen kann, nicht so schnell aufgibt und Ehrgeiz hat, wird sich als Konzertfotograf etablieren können. Doch allein vom Verkauf seiner Konzertfotos kann kein Fotograf mehr leben. Das Foto zeigt Marius Müller-Westernhagen bei seinem „Hottenmusik“-Konzert am 23. September 2012 in Berlin. Canon EOS-1D Mark IV mit EF 4/24-105mm bei verwendeter Brennweite 24mm. 1/160 Sekunde, Blende 4, ISO 1000; Blendenautomatik.
(Foto © 2012: DAVIDS/Sven Darmer – www.svendarmer.de)