Drei Gründe, warum Beleuchtungstechnik eingesetzt werden sollte
Fotografieren heißt „Malen mit Licht“. Schaut man sich die gängigen Fotofachzeitschriften an, sollte man meinen, dass die Kameratechnik allein (plus gegebenenfalls der ganze Bereich des Klein-Fotozubehörs) ausreichend ist, um außergewöhnliche Fotos zu erstellen.
Analysiert man hingegen wirklich beeindruckende Fotos, stellt man fest, dass nicht selten das Licht respektive die Lichtstimmung für den Erfolg des Fotos nicht unerheblich mitverantwortlich ist. Dennoch haben viele Fotografen zwar mehrere Kameras, aber kaum Lichtequipment. Mit Ausnahme des Systemblitzes, der sich wohl in jeder Fototasche befindet.
Sicherlich ist die moderne Kameratechnik viel spannender als die Lichttechnik. Der Spaß- und Spielfaktor einer High-Tech-Kamera ist weitaus größer. Dennoch gibt es gute Gründe, sich einmal näher mit den Möglichkeiten der Beleuchtungstechnik auseinanderzusetzen.
Abbildung 2.1: Licht ohne Schatten ist langweilig. Viele Anfänger im Bereich Lichtführung begehen den Fehler, Fotos zu stark auszuleuchten, alle Schatten wegzublitzen, was zur Folge hat, dass die Fotos fad und matschig wirken. Gerade bei der Fotografie von Strukturen ist zu weiches Licht kontraproduktiv.
(Foto ©: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Allerdings geht es nicht darum, „en vogue“ zu sein. Es gibt schon handfeste Gründe, warum Beleuchtungstechnik (sinnvoll) eingesetzt werden sollte. Diese Gründe sind:
- Es ist zu dunkel (oder zu hell).
- Die Kontraste sind zu stark (oder zu schwach).
- Kreativ-gestalterische Gründe.
Abbildung 2.2: Wenn ich bei meinen Workshops zum Thema Beleuchtungstechnik die Teilnehmer frage, warum man überhaupt Beleuchtungstechnik einsetzen sollte, werden in der Regel nur die beiden Gründe „es ist zu dunkel“ und „um mit Licht zu gestalten“ genannt. Der wichtigste Grund „um die Kontraste zu mildern“ wird meist vergessen.
2.1 Es ist zu dunkel (oder zu hell)
Dieser Grund ist trivial, zumindest unmittelbar einleuchtend: Wenn ich spät abends auf einer Party bin und Fotos machen möchte, werde ich ohne Einsatz von zusätzlichem Licht (-> Systemblitzgerät) kaum brauchbare Ergebnisse erzielen.
Doch es ist auch der andere Fall denkbar, dass ich zu viel Licht habe und mithilfe eines Abschatters Licht „wegnehmen“ muss.
Abbildung 2.3: Wenn abends oder nachts in Innenräumen, die nur mit Partylicht beleuchtet sind, fotografiert wird, ist es notwendig, zur Aufhellung Licht einzusetzen. Zwar gibt es mittlerweile auch Kameras, die ISO-Einstellungen bis zu 204.800 (Nikon D4) erlauben, doch ist meist die Bildqualität über 3.200 ISO nicht nur für Qualitätsfanatiker nicht mehr akzeptabel. Besser als nur mit Available light zu fotografieren ist es dann, zusätzliche Beleuchtung einzusetzen. Das bedeutet aber nicht, dass das Motiv somit „totgeblitzt“ wird – sondern, dass in der entstehenden Mischlichtsituation sowohl das vorhandene Licht (hier: die Regalbeleuchtung) als auch das künstlich hinzugefügte Licht (hier: das Blitzlicht) Verwendung findet.
(Foto ©: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Diese Abstimmung, welches das optimale Mischungsverhältnis ist, ist einfacher als viele Fotografen denken. Hier die empfohlene Vorgehensweise der Parameter-Einstellung bei Partyfotos (bei ganz schwachen Lichtverhältnissen; aus Praktikabilitätsgründen wird der Einsatz eines Systemblitzgerätes empfohlen):
- ISO-Wert: Dieser wird möglichst hoch eingestellt, damit der Kamerasensor überhaupt das vorhandene schwache Licht berücksichtigen kann. Je nach Kameramodell wird dieser Wert zwischen 800 ISO und 3.200 ISO liegen. Denkt daran, dass die ISO-Empfindlichkeit nicht beliebig hoch eingestellt wird, damit die Bildqualität nicht zu schlecht wird.
- Blende: Die Blende sollte möglichst weit geöffnet werden, damit das wenige vorhandene Licht genutzt werden kann. Ratsam ist es, Festbrennweiten zu verwenden, die sind deutlich lichtstärker als Zoomobjektive. Um aus Gründen bestmöglicher Qualität die optimale Schärfeleistung des Objektivs zu nutzen, ist es ratsam, dieses ein klein wenig zu schließen, beispielsweise um eine Blende. Ein weiterer Grund, der für lichtstarke Festbrennweiten spricht, denn wenn man ein lichtschwaches Zoomobjektiv noch weiter schließt, bleibt nicht mehr viel Blendenöffnung, um Licht auf den Sensor zu lassen.
Hinweis: Ein Zoom-Objektiv mit der Lichtstärke 4,0 ist 8x lichtschwächer als die Festbrennweite mit der Blendenöffnung 1,4. Anders formuliert: Derjenige, der das Zoomobjektiv mit der Anfangsblendenöffnung 4,0 verwendet, benötigt 8x mehr Licht als derjenige, der mit dem Objektiv mit der Anfangsblende 1,4 fotografiert. Diese Unterschiede sehen gering aus, wenn man die absoluten Zahlen vergleicht: 1,4 zu 4,0. Doch bezogen auf die fotografische Realität sind das Welten!
- Verschlusszeit: Nehmt eine Verschlusszeit, die ihr gerade noch verwacklungsfrei aus der Hand halten könnt (was nicht nur von der Anzahl der bereits konsumierten Cocktails, sondern auch vom verwendeten Objektiv anhängig ist). Also beispielsweise 1/60 Sekunde oder gar 1/50 Sekunde. (Objektive mit Verwacklungsreduzierung/Bildstabilisierung sind bei schlechten Lichtverhältnissen hilfreich. Viele Fotografen versuchen dennoch lieber, auf diese Funktion zu verzichten. Eine 1,4/50mm-Festbrennweite wird sowieso keine Bildstabilisierung besitzen, was auch nicht nötig ist, da man mit solch einem Objektiv in der Regel auch noch mit 1/40 Sekunde frei aus der Hand fotografieren kann.
Hinweis: Diese beschriebene Einstellung der drei Parameter Zeit (z.B. 1/50 Sekunde), Blende (z.B. 2,0) und ISO (z.B. 1.600) sorgt dafür, dass möglichst viel von dem vorhandenen schwachen (Party-) Licht berücksichtigt werden kann. (Oftmals findet man ja nur Kerzenschein und Lichterketten vor, die den Raum nur minimal erhellen). Die grundsätzlich vorhandene Lichtstimmung wird auf diese Weise zumindest schon mal recht gut eingefangen. Um die Personen noch ausreichend aufzuhellen, benötigt man nun Beleuchtungstechnik. In diesem Fall verwenden wir einen Systemblitz, der für Partyfotos aufgrund seiner Kompaktheit optimal geeignet ist.
- Systemblitz: Da wir (wie beschrieben) die grundsätzliche Lichtstimmung bereits gut eingefangen haben, benötigen wir den Systemblitz nur noch zum Aufhellen (der Schatten und der Partybesucher). Um einen Lichtabfall in der Entfernung zu vermeiden, also um eine schöne gleichmäßige Raum-Ausleuchtung zu erzielen, setzen wir den Systemblitz möglichst indirekt ein. Hierfür richten wir den schwenkbaren Reflektor indirekt gegen die (hoffentlich weiße) Decke. Das indirekte Blitzen sorgt dafür, dass der ganze Raum ausgeleuchtet wird und dass das Licht keine harten Schatten wirft, sondern weich und gleichmäßig ausfällt. Ist die Decke nicht weiß (oder zumindest hellgrau), kann anstelle dessen der Schwenkreflektor auch gegen eine weiße Wand oder gegen die Sunbounce „Bounce Wall“ oder einen anderen Aufheller eingesetzt werden. Das Systemblitzgerät wird am einfachsten auf TTL eingestellt. Eventuell ist noch eine Blitzbelichtungs-Korrektur auf zum Beispiel minus 1 vonnöten, um die Lichtstimmung der vorhandenen Partybeleuchtung nicht zu zerstören.
Abbildung 2.4: Die Bounce Wall von California Sunbounce ist ein gutes Hilfsmittel, um direktes Blitzen mit seinen negativen Folgen (unschön frontales, flaches hartes Licht) zu vermeiden. Die Oberfläche im gold-silber-Zebra-Design sorgt dafür, dass das reflektierte Licht für angenehme Hauttöne sorgt (etwas wärmer als beim direkten Blitzen). Dadurch, dass das Licht nicht mehr frontal, sondern etwas seitlicher aufs Model fällt, wirken die Aufnahmen mit diesem Hilfsmittel plastischer (http://www.sunbounce.com/bounce-wall-set).
(Grafik: Hersteller)
Hinweis: Falls euer Systemblitzgerät einen feststehenden Reflektor besitzt, der nicht geschwenkt werden kann, hilft nur: verkaufen! Nicht mehr benutzen! Oder höchstens als Zweitgerät einsetzen. Aber ein Systemblitz muss einen schwenkbaren Reflektor haben, um sinnvoll auf der Kamera eingesetzt werden zu können!
Je größer die Reflexionsfläche, desto „angenehmer“ ist (zumindest für den beschriebenen Fall) die Lichtcharakteristik. Bei einer Vergrößerung der Reflexionsfläche wird das Licht weicher geformt und ein größerer Bereich wird ausgeleuchtet.
Deshalb kann alternativ zur Bounce Wall auch ein normaler Reflektor, von einem Helfer gehalten oder mittels Grip Head vom Stativ aus, eingesetzt werden.
Auf einer vollen Party mitten im Getümmel wird diese Vorgehensweise zu Platzproblemen führen (für solche Fälle wurde die Bounce Wall konstruiert, die mittels Halterung direkt an der Kamera des Fotografen befestigt ist), doch beispielsweise bei einer gehobenen Veranstaltung im Foyer bei der Begrüßung der Gäste durch die Gastgeber ist diese Vorgehensweise durchaus möglich und sinnvoll.
Abbildung 2.5: Wie man hier deutlich sehen kann, wurde der Aufheller (Sunbounce Micro Mini) so eingesetzt, dass er wie eine Wand als Reflexionsfläche dient. Hierfür wurde der Reflektor des Blitzgerätes seitlich geschwenkt, um das reflektierte Licht nach dem Prinzip „Lichteintrittswinkel = Lichtaustrittswinkel“ auf die fotografierte Person zu lenken.
Der Sunbounce Micro Mini besitzt eine Reflexionsfläche von 60 cm x 90 cm und bietet damit deutlich mehr Reflexionsfläche als die kleinere Bounce Wall. Wo möglich, sollte daher der Lösung mit dem Sunbounce Micro Mini der Vorzug gegeben werden; bei Platz- und Zeitproblemen ist der Einsatz der Bounce Wall aber eine gute und vor allem praktische Alternative! Vom direkten Blitzen mit dem Systemblitz hingegen wird – zumindest in der People-Fotografie – dringend abgeraten!
(Foto © 2013: Hodzic)
2.2 Die Kontraste sind zu stark (oder zu schwach)
Der häufigste Grund, warum Beleuchtungstechnik professionell eingesetzt wird, ist, weil die Kontraste im Motiv zu stark sind und die Fotos, ohne beleuchtungstechnische Hilfsmittel aufgenommen, technisch mangelhaft werden würden.
Abbildung 2.6: Hier passt es, dass ich das Model nicht aufgehellt habe. Es gehörte zu meiner Bildidee, dass ich es wie beim Scherenschnitt völlig dunkel wiedergegeben habe. Doch wenn es darum geht, die Person(en) erkennbar abzubilden, hätte ich bei dieser Gegenlichtsituation ohne Einsatz von Hilfsmitteln kein technisch einwandfreies Foto machen können.
(Foto ©: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Die Alternative zum hier gezeigten Ergebnis wäre gewesen, den Hintergrund völlig zu überbelichten, um die Person ausreichend hell darzustellen. Doch dann wäre der Hintergrund viel zu hell, vermutlich sogar ausgefressen, auf dem Foto erschienen.
Doch wie kommt es, dass Kontraste auf Fotos so stark ausfallen können, dass hellste Stellen „ausgefressen“ und dunkelste Stellen ohne Zeichnung erscheinen?
Hinweis: Das menschliche Auge ist beim Bewältigen von Kontrasten auch den modernen Kameras immer noch haushoch überlegen. Wir sehen noch Zeichnung in dunklen Bereichen, die auf dem Foto nur noch schwarz erscheinen. Gleiches gilt für hellste Stellen, die auf dem Foto bei unglücklicher Belichtung nur noch ausgefressen abgebildet werden.
Den Kontrastumfang, den eine Kamera verarbeiten kann (also so auf dem Foto abbilden kann, dass alle Stellen Zeichnung aufweisen), nennt man Dynamikumfang. Er ist von Kameramodell zu Kameramodell verschieden (und dann auch von der eingestellten ISO-Empfindlichkeit). Eine Top-Profi-Kamera wie die Nikon D4 kann einen Kontrastumfang von knapp über 13 Blendenstufen verarbeiten. Amateurkameras hingegen haben einen Kontrastumfang, der in etwa drei Blendenstufen geringer ist.
Oftmals liegen aber die Kontraste über dem, was die Kamera verarbeiten kann. Insbesondere im Sommer, bei strahlendem Sonnenschein und wolkenlosem Himmel, fallen die Kontraste schon mal riesig aus. Wenn man dann noch ein Motiv fotografieren soll, das in Bezug auf Kontrastverhältnisse auch nicht gerade einfach zu fotografieren ist, wird man allein mit den Möglichkeiten der Kameratechnik verzweifeln.
Bestes Beispiel sind Hochzeitsfotos. Wenn das Brautpaar kontrastreich gekleidet ist (Braut: hoch-weißes glänzendes Kleid mit Stickmuster; Bräutigam: schwarzer Samtanzug), ergeben sich im Motiv „Brautpaar in der Sonne vor der Kirchentür stehend“ Kontrastverhältnisse, die den Dynamikumfang jeder Kamera weit sprengen:
Abbildung 2.7: Abgebildet ist hier der Kontrastumfang des Motivs „Brautpaar in der Sonne vor der Kirchentür stehend“. Der Kontrastumfang wird deutlich mehr als 13 Blendenstufen (das ist das, was meine Kamera Nikon D4 verarbeiten kann) betragen.
Anders (deutlich geringer) fällt der Kontrastumfang beim Foto einer der Brautjungfern aus, die, mit einem bunten Kleid bekleidet, ebenfalls vor der Kirchentür abgelichtet werden soll:
Abbildung 2.8: Da die Brautjungfer ein buntes Kleid anhat, welches ohne starke Kontraste auskommt, fällt der Kontrastumfang deutlich geringer aus als beim Motiv „Brautpaar“.
Nimmt man in die Abbildung noch den Dynamikumfang der Kamera vergleichend hinzu, so wird deutlich, dass bei diesem Motiv (anders als beim Brautpaar-Motiv) die Kontrastverhältnisse gerade so noch verarbeitet werden können:
Abbildung 2.9: Glück gehabt! Beim Motiv „Brautjungfer mit buntem Kleid“ kann der Fotograf ein technisch einwandfreies Foto abliefern. Alle im Motiv befindlichen Kontraste können abgebildet werden. :-)
Um zu verdeutlichen, wie stark die Kontrastverhältnisse beim wichtigen Motiv „Brautpaar“ sind und wie viel davon die eingesetzte Kamera verarbeiten kann, wird auf folgende Abbildung verwiesen:
Abbildung 2.10: Links und rechts vom gelben Balken sind die Tiefen und Lichter, die im Foto ohne Zeichnung (also vollkommen schwarz und ausgefressen weiß) dargestellt werden. Die Konsequenz ist ein technisch mangelhaftes Foto, das schlimmstenfalls, sofern es sich um einen Auftrag handelt, vom Auftraggeber bemängelt werden kann (mit unangenehmen finanziellen Folgen für den Fotografen). :-)
Wie kann der Fotograf nun vorgehen, wenn er in solch eine Situation gerät?
Ideal wäre es, den Dynamikumfang der Kamera zu vergrößern. Doch das geht nicht, der ist technisch bedingt. Durch einen Trick allerdings ist es möglich, ihn scheinbar zu vergrößern, und zwar durch das schnelle hintereinander Fotografieren mehrerer Aufnahmen mit unterschiedlicher Belichtung, die dann in Photoshop miteinander verschmolzen werden. Dies bezeichnet man als HDR-Aufnahme (HDR = High Dynamic Range).
Allerdings sollte hierbei möglichst ein Stativ eingesetzt werden, damit die Fotos auch genau übereinander passen. Außerdem sollte keine Bewegung im Motiv erfolgen, was einigermaßen unrealistisch ist, denn am Tag der Hochzeit wird das Braiutpaar lachen und auf Zurufe reagieren, gegebenenfalls fliegt Konfetti durch die Luft oder die Blätter am Baum neben der Kirchentür bewegen sich durch den Wind, genauso wie der Schleier und die Haare der Braut. Kurz: HDR ist für Peoplefotos nicht oder nur einschränkend geeignet.
Hinweis: Manche modernen Kameras, wie zum Beispiel die Nikon D4, ermöglichen HDR-Fotos bereits während der Aufnahmen (allerdings nur beim JPEG-Dateiformat). Dabei werden bei einer einzigen Auslösung schnell drei Aufnahmen hintereinander belichtet und umgehend von der Kamera zu einem Bild verarbeitet.
Hat der Fotograf keinerlei beleuchtungstechnische Hilfsmittel dabei, so bleibt ihm nur die Wahl, entweder den schwarzen Samtanzug korrekt abzulichten oder alternativ das Brautkleid so darzustellen, dass sämtliche Details und die Spitzen und Strickmuster gut zur Geltung kommen. Berücksichtigt man den Kaufpreis und den Aufwand bei der Auswahl der jeweiligen Kleidungsstücke, so wird schnell klar, dass der Fotograf sich tunlichst bemühen sollte, den Schwerpunkt der korrekten Belichtung auf das Brautkleid zu legen:
Abbildung 2.11: Durch Unterbelichtung (zum Beispiel durch Einstellen einer kürzeren Verschlusszeit oder einer kleineren Blendenöffnung oder eines niedrigeren ISO-Werts) wird zwar der schwarze Samtanzug noch dunkler (und dadurch mit noch weniger Zeichnung) wiedergegeben, doch das Brautkleid ist „gerettet“. Die Unterbelichtung sorgt dafür, dass Stellen, die bisher ausgefressen waren, nun zwar immer noch weiß, aber mit Zeichnung wiedergegeben werden.
Allerdings ist es nicht befriedigend, in dieser Situation nur 50% des Motivs korrekt abzulichten, während die anderen 50% sogar verschlechtert wiedergegeben werden. Eine andere Lösung muss her!
Eine Möglichkeit, um bei Unterbelichtung (das machen wir, damit das Brautkleid ausreichend Zeichnung aufweist) die dunklen Stellen im Motiv (den Bräutigam im schwarzen Anzug) aufzuhellen, wäre, einen Aufheller oder einen Blitz hinzuzunehmen:
Abbildung 2.12: Bei meinen Auslandsworkshops zur Modelfotografie (hier ein Schnappschuss vom einwöchigen Andalusien-Workshop 2012, an diesem Tag in Ronda) arbeiten die Teilnehmer gerne mit den stabilen Aufhellern von California Sunbounce (hier im Einsatz der Micro Mini), da diese mit ihrem stabilen Alu-Rahmen weniger windanfällig sind. Bei Wind verwringt die Reflexionsfläche nicht, was eine präzise Ausrichtung der Reflexionsfläche ermöglicht. Hier wurde der Aufheller zur Kontrastminderung eingesetzt, weil ansonsten entweder das im Gegenlicht stehende Model unterbelichtet worden wäre oder der Hintergrund überbelichtet.
(Foto © 2012: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Abbildung 2.13: Eine andere Möglichkeit, die Kontraste zu mildern, besteht darin, das Model mithilfe eines Blitzes aufzuhellen. Das kann ein Systemblitz sein, der dafür verwendet wird, oder eine Akkublitzanlage, wie bei diesem Foto. Verwendet wurde der Hensel Porty Lithium 1200 mit Normalreflektor.
(Foto © 2011: K. Bloch)
Abbildung 2.14: Hätte ich bei diesem Foto auf die Aufhellung mittels Blitzlicht verzichtet und versucht, das Model korrekt zu belichten, wäre der Hintergrund, der Abendhimmel mit der untergehenden Sonne, hoffnungslos überbelichtet worden. So, mithilfe der mobilen Blitzanlage, konnte ich die Kontraste mildern und eine stimmungsvolle Gegenlichtaufnahme abliefern. Nikon D3X mit 2,8/14-24mm Nikkor bei verwendeter Brennweite 14mm. 1/200 Sekunde, Blende 20, ISO 100.
(Foto © 2011: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Eine andere Möglichkeit, die Kontraste mittels Lichtequipment zu mildern, ist der Einsatz eines Abschatters. Es werden also nicht, wie bisher, die dunklen Stellen des Motivs aufgehellt, sondern die hellen Stellen „dunkler gemacht“. Der Abschatter, der zwischen Sonnenlicht und Model gehalten wird, macht zum einen das Licht weicher und zum anderen sorgt er für eine Reduzierung des Lichts um 1-2 Blendenstufen.
Abbildung 2.15: Abschatter mildern das harte Sonnenlicht. Sie reduzieren die Helligkeit der Sonnenstrahlen und machen das Licht angenehm weicher. Hier, bei meinem Andalusien-Workshop 2012 (das Foto wurde in Málaga aufgenommen), haben die Teilnehmer mit dem Einsatz des Aufhellers erreicht, dass das harte Sonnenlicht die Schultern des Models auf dem Foto nicht zum Ausfressen bringt.
(Foto © 2012: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Sinnvoll ist auch eine Kombination aus beiden Methoden: Die Schatten werden aufgehellt und die Lichter abgeschattet. So kann auch unser schwierig zu fotografierendes Brautpaar-Motiv technisch einwandfrei und zur Zufriedenheit aller Beteiligten fotografiert werden:
Abbildung 2.16: Aufheller (oder Blitz) und Abschatter sorgen für eine Reduzierung der Kontraste im Motiv.
Da wir den Dynamikumfang unserer Kamera nicht vergrößern konnten (da der technisch vorgegeben ist), haben wir stattdessen den Kontrastumfang im Motiv verringert. Mit etwas Geschick haben wir ihn in etwa auf den Umfang reduziert, den unsere Kamera verarbeiten kann:
Abbildung 2.17: Durch den Einsatz geeigneter Beleuchtungstechnik haben wir also die Lichtverhältnisse unseres Motivs dermaßen manipuliert, dass es uns möglich ist, ein technisch einwandfreies Foto abzuliefern. Gerade für Berufsfotografen ist dieser Umstand extrem wichtig, um Reklamationen des Kunden zu vermeiden. Einer ausgewogeneren Lichtstimmung wird darüber hinaus auch aus ästhetischen Gründen der Vorzug zu geben sein, weshalb der Einsatz von Beleuchtungszubehör nicht nur dazu dient, technisch korrekte Ergebnisse abzuliefern, sondern auch, Fotos zu erstellen, die dem Bildbetrachter besser gefallen.
2.3 Kreativ-gestalterische Gründe
Wenn Fotografen anfangen, sich für Beleuchtungstechnik zu interessieren, stehen kreativ-gestalterische Gründe meist im Vordergrund. Das „Malen mit Licht“ erlaubt den Fotografen, Details hervorzuheben oder auch zu verstecken, Akzente zu setzen, Formen besonders gut zur Geltung kommen zu lassen etc. Es ist genau der Bereich der Fotografie, der die Kreativität weckt und besonders viel Spaß macht.
Abbildung 2.18: In der klassischen Aktfotografie wird das Licht eingesetzt, um die Formen des Körpers besonders schön zur Geltung kommen zu lassen.
Abbildung 2.19: Licht und Schatten sorgen dafür, dass das Model trotz Nacktheit nicht gewöhnlich oder ausgeliefert auf den Fotos rüberkommt, sondern anmutig und schön. Wer erst einmal damit begonnen hat, sich bei seinen Fotoshootings nicht mehr allein auf die vorhandene Lichtsituation zu verlassen, sondern diese lichttechnisch „aufzupeppen“, wird schnell die Vorteile sehen, die der gezielte Einsatz von beleuchtungstechnischen Hilfsmitteln bringt.
(Foto ©: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Abbildung 2.20: In der Produktfotografie sorgt das richtig eingesetzte Licht dafür, dass die Gegenstände besonders hochwertig erscheinen.
(Foto ©: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Abbildung 2.21: Um die Muskeln des jungen Mannes gut zur Geltung kommen zu lassen, habe ich hier das Hauptlicht von oben eingesetzt. Dafür verwende ich meist den Red-Wing-Galgen, dessen Konstruktion es erlaubt, den Abstand des Lichtes vom Modell zu variieren, ohne dass der Winkel sich ändert.
Abbildung 2.22: Wer gezielt das Licht setzen möchte, benötigt vor allem Zeit, denn genaues Arbeiten ist Voraussetzung für eine gekonnte Lichtführung. Außerdem muss der Fotograf genau hinschauen können. Um wie meine Kamera zu sehen, schaue ich mir das Motiv meist nur mit einem Auge an, wobei ich zusätzlich noch das andere Auge leicht zukneife. So sehe ich nur noch zweidimensional und auch nicht mehr alle Details, die nur unser menschliches Auge sieht, die auf dem Foto aber meist nicht erscheinen.
(Foto © 2013: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
„Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten“ lautet ein altbekanntes Sprichwort. Wer kreativ mit dem Licht arbeiten möchte, benötigt dafür auch Schatten, denn ohne Schatten (bei einer schattenfreien Ausleuchtung) wirken die Fotos flach, matschig und langweilig.
Schatten geben einem Foto erst Tiefe, Plastizität. Insofern kann das Bestreben des Einsatzes von Lichtequipment nicht (wie viele Anfänger fälschlicherweise denken) sein, die Schatten wegzuleuchten. Die Kunst ist es vielmehr, mit Licht und Schatten kreativ zu arbeiten. Nur so lassen sich außergewöhnliche Bilder erstellen.
Vorschau
Doch welche Lichtquellen sind überhaupt für die gestalterische Fotografie geeignet? Eine Übersicht mit anschließender Bewertung findet ihr im nächsten Teil 3 dieses Tutorials.