Hier eine Übersicht über die einzelnen Kapitel:
Teil 01 - "Traumberuf" Konzertfotograf?
Teil 02 - Rechtliche Fragestellungen
Teil 03 - Besonderheiten Konzertfotografie
Teil 04 - Das Verhalten im „Graben“
Teil 05 - Die sinnvolle Ausrüstung für Konzertfotografen
Teil 06 - Tipps und Tricks der (Konzertfotografie-) Profis
Teil 07 - Bildgestaltung (Teil 1)
Teil 08 - Bildgestaltung (Teil 2)
Teil 09 - Empfehlenswerte Kamera-Einstellungen
Teil 10 - Die Nachbereitung
In der Konzertfotografie sind wir Fotografen – aus Gründen der Pressefreiheit, der Berichterstattung, aus Marketinggründen etc. – lediglich „geduldet“. Beliebt sind wir bei niemandem: weder bei den Musikern, deren Management, dem Veranstalter, der Security oder den Fans im Zuschauerraum. Das ist auch, zumindest bei näherer Betrachtung, verständlich:
Richtig begeistert sind die Musiker nicht, wenn wir im Graben in unmittelbarer Nähe zu ihnen (oft sind die Musiker „zum Greifen nah“) agieren. Stellt euch vor, ihr müsstet vor Publikum eine Rede halten oder ein Konzert bestreiten und direkt vor euch wuseln etliche Fotografen herum. Das stört, das lenkt ab!
Die Manager mögen uns genauso wenig (es sei denn, sie benötigen aktuelle Fotos ihrer „Schützlinge“). Wir könnten ja eventuell Fotos machen (und veröffentlichen!), die dem Management nicht genehm sind (unvorteilhafte Posen der Künstler, sichtbare Schweißflecken, ein grimmiger Gesichtsausdruck etc.). Das Management möchte am liebsten alles kontrollieren, um negative Berichterstattung (wozu auch unvorteilhafte Fotos gehören) zu verhindern. Das ist aber bei Pressefotografen nicht möglich; und deshalb sehen sie uns als notwendiges Übel und nicht als Unterstützer in der Bekanntmachung ihrer unter Vertrag stehenden Musiker.
Auch die Veranstalter wären froh, wenn es uns nicht gäbe, denn wir machen „Arbeit“ (bezogen auf organisatorische Dinge). Wegen uns Fotografen müssen Anfragen bearbeitet und geprüft, Akkreditierungen erteilt, Pressegraben-Ligitimationen gedruckt und ausgeteilt werden und vieles mehr.
Und auch die Security im Graben sieht uns als Störenfriede. Denn wir machen ihre Aufgabe, für Sicherheit zu sorgen, ein klein wenig komplizierter.
Und last, but not least stören wir – unfreiwillig – auch den Konzertgenuss der vielen Zuschauer, zumindest von denen in den ersten Reihen, denen wir die Sicht versperren. Und auch wenn wir niemandem die Sicht versperren, beispielsweise weil die Bühne erhöht ist, lenken wir durch unsere Standortwechsel etc. vom eigentlichen Geschehen auf der Bühne ab.
Abbildung 4.1: Culcha Candela am 20. August 2011 beim Zeltfestival Ruhr in Bochum/Witten. Hier schön zu sehen ist der Pressegraben, in dem sich entfernt am anderen Ende noch ein paar Fotografen befinden, während wir anderen bereits von der Security hinausgeführt (oftmals passender wäre vielleicht die Bezeichnung „hinausgedrängt“) wurden. Ich machte das Foto sozusagen beim „letzten Blick zurück“, als letzte Chance auf ein Foto von der Szenerie. Und unmittelbar danach wurden dann auch die anderen Fotografen aus dem Graben „geleitet“.
Manchmal ist es erlaubt, dass die Fotografen nach den ersten drei Liedern (wo fotografiert werden darf) den Rest des Konzertes im Publikum verbleiben dürfen. Dies allerdings immer mit der Auflage, die Kamera eingepackt in der Fototasche zu lassen. Nikon D3S mit 4,0/24-120-mm-Mikro-Nikkor, bei verwendeter Brennweite 24mm. 1/60 Sekunde, Blende 4,0, ISO 3200.
(Foto © 2011: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Abbildung 4.2: Ist die Bühne nur minimal höher als der Pressegraben, ist die Perspektive für uns Fotografen vorteilhafter, weil wir nicht alle Fotos so sehr von unten aufnehmen müssen. Allerdings versperren wir so den Fans in den ersten Reihen natürlich deutlich stärker die Sicht auf die Künstler. H-Blockx am 31. August 2010. Nikon D3S mit 2,8/24-70-mm-Mikro-Nikkor, bei verwendeter Brennweite 24mm. 1/200 Sekunde, Blende 2,8, ISO 5000.
(Foto © 2010: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
4.1 Unauffällig agieren
Aus den oben aufgeführten Gründen ist es natürlich ratsam, im Pressegraben möglichst unauffällig zu agieren! Schließlich möchten wir niemanden stören. Man muss sich immer vor Augen halten, dass wir insofern „privilegiert“ sind, weil wir ja – zumindest eine kurze Zeit – kostenlos der Veranstaltung beiwohnen können. Und das sogar noch in exquisiter Position, ganz dicht an den Musikern, direkt vor der Bühne.
Die „Stars“ sind aber die Musiker, das sollten die Fotografen niemals vergessen! Ich habe leider schon Fotografen („Selbstdarsteller“) erlebt, die – im Hochgefühl, in Partystimmung – sich selbst im Pressegraben „gefeiert“ haben, indem sie sich zum Publikum umgedreht haben, in Siegerpose „Selfies“ von sich (mit den Musikern auf der Bühne im Hintergrund) gemacht haben und diese Selbstporträts dann sofort auf facebook oder anderen „sozialen“ Netzwerken gepostet haben. Eigentlich total peinlich sowas …!
Etablierte, erfahrene Konzertfotografen würden so etwas niemals tun. Denn denen geht es darum, außergewöhnliche, qualitativ hochwertige Fotos vom Konzert zu machen. Und ein verlässlicher Geschäftspartner für die Musikbranche zu sein, der unauffällig, effizient und gut seinen Job macht. Eine angenehme (und im Pressegraben auch „unauffällige“) Zusammenarbeit ist die Voraussetzung dafür, dass der nächste Akkreditierungswunsch bei kommenden Konzertveranstaltungen abermals positiv beschieden wird. Ein Fotograf hingegen, der unangenehm und störend aufgefallen ist, wird so schnell nicht wieder akkreditiert werden, zumal sich ein solches Verhalten auch innerhalb der Musikszene herumsprechen wird und so auch andere Veranstalter über die „schwarzen Schafe“ innerhalb der Fotografengemeinschaft informiert werden.
Abbildung 4.3: Jan Delay mit Band (und etlichen Konzertfotografen) am 20. August 2010 beim Zeltfestival Ruhr. Ein Künstler während des Konzertes braucht den Blickkontakt zum Publikum, um die Reaktionen zu sehen (ob sie „mitfeiern“ oder ob der Funke noch nicht übergesprungen ist). Das ist ganz wichtig, um entsprechend agieren zu können und um eine professionelle Show abliefern zu können. Fotografen, die sich zu auffällig verhalten, würden dabei nur ablenken, gegebenenfalls den Künstler nervös machen und dadurch letztendlich die Qualität des Konzertes beeinträchtigen. Nikon D3S mit 2,8/24-70-mm-Mikro-Nikkor, bei verwendeter Brennweite 24mm. 1/250 Sekunde, Blende 3,5, ISO 5000.
(Foto © 2010: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Abbildung 4.4: Viele begeisterte (zahlende!) Fans (hier beim Culcha Candela-Konzert am 20. August 2011) stehen hinter uns Konzertfotografen. Sie freuen sich auf den Auftritt ihrer Idole, wollen das Konzert möglichst ungestört genießen. Da versteht es sich von selbst, dass wir Fotografen im Graben möglichst unauffällig agieren!
Das heißt zum Beispiel, nicht unnötig die Sicht auf die Bühne zu versperren und öfters mal den Standpunkt zu wechseln, damit man nicht die ganze Zeit vor denselben Zuschauern steht (und deren Sicht – zumindest teilweise – beschränkt). Nikon D3S mit 4,0/24-120-mm-Nikkor, bei verwendeter Brennweite 24mm. 1/320 Sekunde, Blende 4,0, ISO 3200.
(Foto © 2011: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Fazit: Eigentlich selbstverständlich, und dennoch sind gelegentlich Fotografen zu beobachten, die so unverschämt sind und sich nicht daran halten: Beim Fotografieren im Pressegraben haben sich die Konzertfotografen möglichst unauffällig zu verhalten. Es gilt, die Show, die sich auf der Bühne (und nicht davor) abspielt, nicht zu beeinträchtigen. Für die professionellen Musiker (und deren Management und den Konzertveranstaltern) geht es darum, auf diese Weise ihr Einkommen zum Lebensunterhalt zu erzielen. Dafür muss die Show möglichst reibungslos vonstattengehen. Fotografen, die störend auffallen, behindern die Profis bei der Erzielung ihres Einkommens – und dass diese da keinen Spaß verstehen, ist, glaube ich, auch verständlich.
Die Zuschauer hingegen wollen ebenfalls eine tolle Show sehen. Sie wollen ein paar schöne Stunden verbringen und haben (teuer) dafür bezahlt. Sie wollen ihre Idole live auf der Bühne erleben – und nicht selbstdarstellerische Fotografen.
4.2 Kollegiales Verhalten
Dadurch, dass im Pressegraben meistens vergleichsweise wenig Platz für die Fotografen vorhanden ist (und nicht selten noch genügend „Stolperfallen“ auf dem unbeleuchteten Boden herumliegen), die Lichtbedingungen so extrem schwierig und unberechenbar sind (siehe vorheriges Tutorial, Kapitel 3.3) und zudem die Fotografierdauer so stark (im Regelfall auf die ersten drei Songs) beschränkt ist (- Zeitdruck!), fühlen sich die meisten Konzertfotografen total „gehetzt“, denn es gilt, innerhalb der kurzen Zeit und trotz der schwierigen Rahmenbedingungen zumindest ein paar gelungene Fotos zu „schießen“.
Dieser Druck ist übrigens umso größer, wenn der Lebensunterhalt mit der Fotografie verdient wird und der Fotograf oder die Fotografin es sich nicht erlauben kann, ohne brauchbare („druckbare“) Ergebnisse in die Redaktion zu kommen.
Dieses Gefühl, gehetzt zu sein, führt nicht selten dazu, dass sich der ansonsten so freundliche und zurückhaltende, manchmal sogar eher als schüchtern zu bezeichnende Fotograf auf einmal, beim Einlass in den Pressegraben, in eine „reißende Bestie“ verwandelt, die mit Ellenbogeneinsatz ihren aussichtsreichen Standpunkt verteidigt und im Laufe des Konzertfortschritts neue Standpunkte am Rand der Bühne ohne Rücksicht auf andere Fotografen, die bereits schon dort fotografieren, „erstürmt“.
Doch wie so oft im Leben: Ein freundschaftliches, kollegiales Verhalten bringt letztendlich mehr als die „Einzelkämpfertaktik“. Man trifft sich immer mehrmals im Leben (das gilt insbesondere in der Konzertfotografie), und wenn man zu Konzertbeginn auf Kollegen trifft, mit denen man freundschaftlich verbunden ist, ist das garantiert angenehmer, als wenn man wegen der Rempler beim letzten Konzert böse angeguckt wird und befürchten muss, nun selbst derjenige zu sein, der von den anderen Fotografen keine Rücksicht erwarten darf.
Fazit
Also: Verhaltet euch kollegial, letztendlich kommt ihr damit weiter als mit rücksichtslosem Verhalten! Und wenn man (wie mir auch schon mal geschehen) einen schmerzhaften Schlag vom Objektiv des Nachbarmannes am Kopf abbekommt, so geht nicht automatisch davon aus, dass dies mit Absicht geschehen ist. Es kann auch sein, dass der (oder die) Fotograf(in) so vertieft bei der Bildgestaltung war, dass die Zweitkamera schon mal unabsichtlich einen zu großen Bogen beim Herumschwenken oder beim Objektivwechsel beschrieben hat.
Abbildung 4.5: Dieses Foto wurde bei einem Auftritt von Sunrise Avenue am 27. August 2012 aufgenommen. Vorbildlich die beiden Fotografen im Vordergrund, die genügend Platz lassen, damit jede(r) von ihnen ungestört fotografieren kann. Nicht immer sind allerdings die Fotografierbedingungen im Graben so „komfortabel“ wie hier: Oftmals herrscht dichtes, ungemütliches Gedränge. Bestimmt hat jede(r) Konzertfotograf(in) schon mal einen Ellenbogen in die Seite oder ein Objektiv gegen den Kopf gestoßen bekommen … Unabsichtlich natürlich, aber deshalb nicht weniger schmerzhaft. Dann gilt es aber, cool zu bleiben und sich für den Rest der noch zur Verfügung stehenden Zeit um das Fotografieren zu kümmern; die Platzwunde am Kopf kann auch noch ein paar Minuten später versorgt werden. Denn wenn man gelungene, außergewöhnliche Fotos aus dem Konzert mitbringt, tut die Wunde gleich viel weniger weh! Nikon D4 mit 2,8/14-24-mm-Nikkor bei verwendeter Brennweite 14mm. 1/500 Sekunde, Blende 2,8, ISO 4000.
(Foto © 2012: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
4.3 (Sicherheits-) Hinweise beachten
Bei der Akkreditierung bekommen die Fotografen vom Veranstalter nicht selten ein Infoblatt oder zumindest die mündliche Einweisung, was beim Fotografieren während des Konzertes erlaubt ist und was nicht. Haltet euch daran!
Typische (Sicherheits-) Hinweise sind beispielsweise:
Wann werden die Fotografen in den Pressegraben eingelassen (meist nur wenige Sekunden vor Konzertbeginn). Wie lange (3 Lieder?) dürfen die Fotografen fotografieren? Die Verwendung von Blitzlicht während des Konzertes ist untersagt. Sind nur bestimmte Standpunkte erlaubt oder dürfen die Fotografen sich frei im Pressegraben bewegen? Die Benutzung der Bühnenkante zum Abstützen der Kamera beim Fotografieren ist verboten. Sachen (Jacken, Fotorucksäcke etc.) dürfen nicht auf die Bühnenkante oder auf Boxen abgelegt werden.
Die Security hat Weisungsbefugnis und kann – aus aktuellem Anlass, zum Beispiel bei Notfällen oder aus Gründen der Sicherheit – die vor Konzertbeginn erteilten Befugnisse der Fotografen fallweise weiter einschränken. Fototaschen dürfen auch nicht auf dem Boden abgestellt werden (Stolpergefahr für andere Fotografen!). Taschenlampen im Pressegraben dürfen nicht benutzt werden. Nach dem Fotografieren müssen alle Fotografen geschlossen den Veranstaltungsraum verlassen. Wenn sie die Kameras abgeben, dürfen sie anschließend kostenlos den Rest des Konzertes beiwohnen (aber nicht mehr im Pressegraben, sondern im Publikum). Etc. (Es gibt viele Vorgaben und Sicherheitshinweise; hier aufgezählt wurden von mir lediglich ein paar typische). Wenn es Einschränkungen gibt, resultieren die meist daher, dass Sicherheitsaspekte beachtet werden müssen oder dass der Veranstalter von den Musikern respektive deren Management strenge Vorgaben bekommen hat, was die Fotografen dürfen sollen und was nicht. Im ersten Fall, wenn es um die Sicherheit und den reibungslosen Ablauf des Konzertes geht, ist es selbstredend, dass diese Hinweise beachtet werden müssen. Niemand möchte wohl verantwortlich sein, wenn durch seine oder ihre Schuld beispielsweise Rettungskräfte bei der Bergung Verletzter behindert werden.
Im zweiten Fall gebietet es die Fairness, dass wir uns an die Vorgaben halten, um den Veranstalter, der in diesem Fall quasi als Puffer zwischen Fotografen und Musikern steht, nicht „in die Pfanne zu hauen“. Schließlich ist er verantwortlich gegenüber den Musikern und deren Managern, und wenn Fotografen sich nicht an die Regeln halten, werden Musiker oder Management dem Veranstalter Vertragsbruch vorhalten (und gegebenenfalls Schadenersatz fordern oder eine zuvor vereinbarte Vertragsstrafe einfordern).
Da die Fotografen mit dem Konzertveranstalter ein Vertragsverhältnis eingehen, denn nichts anderes ist die Akkreditierung unter Auflagen, kann auch nur dieser dafür Sorge tragen, dass entsprechend der Absprachen im Pressegraben (beziehungsweise auf dem gesamten Konzertgelände) agiert wird. Musiker und Management hingegen werden dem Konzertveranstalter Vertragsbruch vorwerfen, wenn beispielsweise die Fotografen sich anders verhalten als zwischen Musiker/Management und Konzertveranstalter vereinbart war, weil dieser eben dafür verantwortlich ist, was während der Konzertveranstaltung geschieht:
Übliches Vertragsverhältnis:
Musiker/Management <-> Konzertveranstalter <-> Konzertfotografen
Bedenkt also, dass die Konzertveranstalter lediglich die strengen Vorgaben vonseiten der Musiker beziehungsweise deren Management umsetzen. Oder aus organisatorischen oder sicherheitsrelevanten Gründen den Fotografen weitere Vorschriften machen. Bei Zuwiderhandlungen können die Fotografen das nicht eigenverantwortlich „auf die eigene Kappe nehmen“, sondern sie schaden damit direkt dem Konzertveranstalter. Und damit demjenigen, der irgendwann mal wieder Konzerte veranstaltet und wo wir Fotografen dann erneut um (kostenlose) Akkreditierung bitten …
Abbildung 4.6: Tokio Hotel mit Sänger Bill Kaulitz am 05. April 2007 in Warschau. Das Wort „Fan“ kommt von „fanatisch“ und damit ist klar, dass Musiker nicht selten darauf bedacht sind, dass das Publikum nicht zu nah an sie herankommen kann, denn schon des Öfteren sind begeisterte Fans auf die Bühne geklettert, um ihr Idol anzufassen, einen Plüschteddy persönlich zu übergeben oder um ihn oder sie zu umarmen. Dabei kann der Künstler schon mal aus dem Konzept gebracht und die detailliert geplante Show unterbrochen werden. Um dies zu vermeiden, muss der Konzertveranstalter die Verhinderung solcher Gefahren in seinem Sicherheitskonzept berücksichtigen (und auch entsprechend in die Praxis umsetzen). Wir Fotografen müssen uns dann auch daran halten, denn Sicherheit und der reibungslose Ablauf der Show gehen vor!
(Foto © 2007: DAVIDS/Sven Darmer – www.svendarmer.de)
Abbildung 4.7: Die H-Blockx (mit Sänger Henning Wehland am Mikro direkt vor den Pressefotografen) bei ihrem Konzert am 31. August 2010 beim Zeltfestival Ruhr in Bochum/Witten. Wenn der Kontakt zwischen Musikern auf der Bühne und Fotografen im Pressegraben so nah ausfällt, ist es verständlich, dass sich die Fotografen an die Sicherheitshinweise, die vom Veranstalter bei der Akkreditierung ausgegeben werden, streng halten müssen! Beispielsweise wäre es undenkbar, wenn ein(e) Fotograf(in) bei diesem Konzert seine (oder ihre) Kameratasche auf den Rand der Bühne gelegt hätte, um den Objektivwechsel schneller und bequemer durchführen zu können … Nikon D3S mit 2,8/24-70-mm-Mikro-Nikkor, bei verwendeter Brennweite 26mm. 1/320 Sekunde, Blende 2,8, ISO 5000.
(Foto © 2010: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
4.4 Anweisungen der Security Folge leisten
Auch wenn die Konzertveranstalter versuchen, vorab den Fotografen möglichst viele Informationen und Weisungen über deren Verhalten während des Konzerts zu geben, können sie doch nicht in die Zukunft schauen und alle Geschehnisse während des Konzerts bis ins letzte Detail einplanen.
Um flexibel auf unerwartete Ereignisse (beispielsweise den Ausbruch von Panik bei einigen Fans im Zuschauerraum, Ohnmachtsanfälle, Rauchentwicklung, das Werfen von Gegenständen aus dem Publikum heraus, das Stürmen der Bühne etc.) reagieren zu können und den (Sicherheits-) Interessen der Konzertveranstalter Genüge zu leisten, erfolgt bei der Akkreditierung grundsätzlich der Hinweis, dass die Security, die den Ablauf während der gesamten Konzertveranstaltung überwacht, absolute Weisungsbefugnis hat und sich alle Fotografen strikt daran halten müssen.
Hinweis
„Wie schon ausgeführt, ist die Security der verlängerte Arm des Veranstalters, der das Hausrecht besitzt. Insofern ist das Wort der Security Gesetz, ob es einem passt oder nicht.
Aus Gründen der Praktikabilität ist es meist nicht möglich und auch nicht sinnvoll, dass die Security ihre Weisungen begründet. Daher kommt es oftmals so rüber, als ob die Entscheidungen von großer Willkür sind. Doch sollte sich jeder Konzertfotograf klarmachen, dass die vornehmlichste Aufgabe der Security die Beibehaltung oder auch Wiederherstellung der Sicherheit aller Beteiligten (…) ist.“
(Aus: Konzertfotografie; Brüggemann, Becher, Meister, Darmer, Lippert; mitp Verlag 2012; 186 Seiten; 24,95 Euro).
Abbildung 4.8: Der (noch) verwaiste Pressegraben ein paar Minuten vor Konzertbeginn. Noch dürfen die Fotografen den Graben nicht betreten; warten ist angesagt, bis die Security (ein eindrucksvoller Vertreter ist hier links im Bild zu sehen) das Zeichen gibt und die Absperrungen für die akkreditierten Fotografen öffnet. Und dann geht es meistens auch innerhalb kürzester Zeit los!
(Foto © 2013: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Mithilfe moderner Kommunikationsmethoden („Knopf im Ohr“) sind die Mitglieder der Security bestens miteinander vernetzt. So kann jeder von ihnen schnellstmöglich über Geschehnisse informiert werden, die auch außerhalb seines Blickfeldes, beispielsweise am anderen Ende der Konzerthalle, stattfinden, denn die Security ist im Idealfall auf dem ganzen Konzertgelände verteilt. So kommt es, dass die einzelnen Mitglieder bereits von potenziellen Gefahrensituationen wissen, auch wenn diese ganz woanders lokalisiert sind.
Für uns Konzertfotografen bedeutet dies, dass wir den Anweisungen der Security unbedingt und schnellstmöglich Folge leisten müssen. Denn aufgrund von Insiderinformationen, die zwar die Security hat, aber nicht wir, ist es für uns oftmals nicht ersichtlich, welchen Grund bestimmte Anweisungen haben. Entscheidend ist aber, dass die Security einen Informationsvorsprung gegenüber uns Fotografen hat und außerdem berechtigt ist, uns Anweisungen zu geben. Diese werden in der Regel auch nicht willkürlicher Natur sein, sondern der Sicherheit aller Beteiligten dienen und für einen reibungslosen Konzertverlauf sorgen.
Abbildung 4.9: Culcha Candela im Konzert am 20. August 2011. Wenn total begeisterte Fans im Publikum beim Anblick ihrer Idole hyperventilieren oder sogar in Ohnmacht fallen, dann ist der schnelle Einsatz der Sanitäter gefragt. Die Security hat dann für einen reibungslosen Rettungseinsatz zu sorgen, was manchmal auch bedeutet, dass die Fotografen kurzfristig und schnell den Pressegraben räumen müssen, um das schnelle Durchkommen der Sanitäter und die eventuelle Bergung der ohnmächtigen Person zu ermöglichen. Nikon D3S mit 4,0/24-120-mm-Mikro-Nikkor, bei verwendeter Brennweite 24mm. 1/100 Sekunde, Blende 5,0, ISO 2000.
(Foto © 2011: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Fazit zum Thema
Wenn die Security Anweisungen gibt, solltet ihr diese schnellstmöglich und ohne zu diskutieren befolgen. Aufgrund der telekommunikativen Vernetzung ihrer Mitglieder hat die Security mehr Informationen als ihr, sodass die Anweisungen in der Regel auch einen (sicherheitsrelevanten) Hintergrund haben.
Wenn man ein guter Partner im Pressegraben ist, wird die Security den Fotografen auch wohlgesonnen sein und Verständnis für unsere Belange haben.
Eine kurze Begrüßung durch Blickkontakt und Nicken beim Einlass in den Graben sorgt für eine entspannte Atmosphäre und ebnet den Weg zu einem guten Miteinander.
Wenn beide Seiten die Aufgabe/Arbeit der jeweils anderen Seite respektieren und diese nicht behindern, sondern nach Möglichkeit bei der Bewältigung sogar unterstützen, dann wird auch ein partnerschaftliches Verhältnis entstehen, wovon dann beim nächsten Konzert auch beide Seiten wieder profitieren können.
Wer hingegen unangenehm im Pressegraben auffällt, sich nicht sofort an die Anweisungen der Security hält und dann auch noch diskutiert, wird bestimmt niemals bei seiner Arbeit, außergewöhnliche Konzertfotos zu machen, unterstützt und gefördert werden.
4.5 Umsichtig agieren
Der Pressegraben ist am Bühnenrand oftmals vollgepackt mit Veranstaltungstechnik. Nicht nur Boxen sind da zu finden, sondern auch Beleuchtungstechnik und natürlich jede Menge Kabel. Idealerweise sind diese gut versteckt, doch habe ich auch schon genügend Konzerte erlebt, wo am Rand des Grabens, nahe an der Bühne, Kabelsalat herrschte. Solche Stolperfallen können gefährlich sein, insbesondere auch, weil es im Graben meist kein Licht gibt und das Benutzen von Taschenlampen für die Fotografen in der Regel untersagt ist.
Abbildung 4.10: Achtung Stolperfalle! Hier sind die Kabel zwischen den Boxen deutlich zu erkennen. Allerdings entstand die Aufnahme bei einer hohen Lichtempfindlichkeit von 3.200 ISO und zu einem Zeitpunkt, als der Graben wieder fast völlig leer war. Im Gedränge, wenn viele Konzertfotografen sich im Graben tummeln, werden herumhängende oder –liegende Kabel jedoch leicht übersehen. Zumal wir Fotografen, aufgrund der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit, uns nur mit der DSLR vor den Augen mit Blick Richtung Bühne (und somit fotografierbereit) im Graben bewegen. Seid also vorsichtig, denn ein gebrochener Knöchel bedeutet nicht nur Schmerzen, sondern auch Arbeitsausfall für mehrere Wochen oder gar Monate!
(Foto © 2011: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Außerdem sind, insbesondere wenn Veranstaltungen im Freien oder in Zelten stattfinden, manchmal auch Vertiefungen im Graben vorzufinden, durch die wiederum Stromkabel geführt werden. Hier kann man sehr leicht ins Straucheln geraten, sich den Fuß umknicken oder gar brechen.
Fazit: Vorsicht ist also im Graben angesagt! Passt auf, dass ihr den Ort der Veranstaltung möglichst heil wieder verlasst! Am besten ist es, wenn ihr direkt beim Einlass in den Graben (kurz vor Beginn des Konzerts ist es meist dann noch ausreichend hell im Veranstaltungssaal) nach potenziellen Stolperfallen Ausschau haltet. Im Zweifelsfall sollten sich die Fotografen etwas langsamer und vorsichtiger bewegen – auch in der Hektik der kurzen Fotografierdauer.
4.6 Keine Gegenstände im Graben herumliegen lassen
Aufgrund des Gedränges und der unübersichtlichen Situation im Pressegraben sollten die Fotografen nichts herumliegen lassen, sondern alles (Ausrüstung, Kleidung etc.) am Mann tragen. Das hört sich eigentlich selbstverständlich an, doch ist die Versuchung groß, beispielsweise den Fotorucksack abzustellen, um sich besser (freier) bewegen zu können. Auch Kleidungsstücke, meist Jacken, werden schnell abgelegt, denn im Konzertsaal herrscht meist stickige, warme Luft, sodass man selbst in einem T-Shirt schon ins Schwitzen kommt, selbst wenn draußen noch Minusgrade sind.
Empfehlenswert ist es, einen möglichst kleinen, flachen Fotorucksack mit ins Konzert zu nehmen und ihn die ganze Zeit auf dem Rücken zu tragen. Dieser stört nicht so sehr bei Drehungen oder Standortwechseln.
Am besten wäre es natürlich, wenn man völlig auf Rucksack oder Fototasche verzichten könnte. Doch dann müsste man mit zwei Kameras, die mit unterschiedlichen Brennweiten bestückt sind, arbeiten, was aber auch die Gefahr birgt, dass die Kamera, die über der Schulter hängt, herumbaumelt und stört (oder Gefahr läuft, einen Stoß abzubekommen und so beschädigt wird).
Abbildung 4.11: Kaum zu glauben, aber wahr: Meine stabile, wasserdichte Fototasche „Ultralight“ von Rimowa ist schon fast 20 Jahre alt – und immer noch gut „in Schuss“. Gekauft habe ich sie mir, weil ich sogar auf ihr stehen kann – ein Umstand, den ich schon oft genutzt habe, wenn ich bei Shootings keine Leiter oder andere Möglichkeit, einen erhöhten Standpunkt zu erzielen, hatte. Im Konzertgraben jedoch, zwischen all den hektisch agierenden Fotografen, ist mir der Stand auf meiner Fototasche zu gefährlich, denn ein Rempler würde mich sofort von der Tasche runterfegen. Bei Konzerten verwende ich lieber einen meiner Fotorucksäcke, denn die stören am wenigsten.
(Foto © 2012: Jens Brüggemann – www.jensbrueggemann.de)
Abbildung 4.12: U2 (hier Mitbegründer und Sänger Bono) beim Konzert im Berliner Olympiastadion am 7. Juli 2005. Um sich möglichst frei bewegen zu können – sofern man das überhaupt darf –, ist es ratsam, das Konzert zu mit möglichst minimaler Ausrüstung fotografieren. Es ist nicht immer notwendig, alle Objektive dabei zu haben; manchmal lenkt die „Materialschlacht“ nämlich auch von der Konzentration aufs Motiv ab.
Sofern man vor dem Konzert eruieren kann, ob man sehr nah an der Bühne oder weiter entfernt stehen wird, kann man entsprechend passende Objektive einpacken. Mit einem Weitwinkelzoom und einem Porträt-Tele ist man in den meisten Fällen aber ausreichend ausgestattet und für nahezu alle Eventualitäten gewappnet. Auf diesem Foto gut zu erkennen ist die Security in ihren roten Jacken, teilweise mit dem Rücken zur Bühne stehend (was normale Konzertbesucher niemals tun würden!).
(Foto © 2007: DAVIDS/Sven Darmer – www.svendarmer.de)