Eingefroren oder bewegungsunscharf? Diese Aufnahme beinhaltet, denke ich, beide Techniken. Die Bewegung des Schneeschuhgängers wurde durch den Blitz (fast) eingefroren, nur im Schnee sowie an ein paar Details sieht man etwas Bewegungsunschärfe - trotz 1/200 Sekunde, Canon EOS 1Ds MK III mit EF f2,8 15 mm. Gaißkopf, Zillertaler Alpen, Österreich:
Erinnern Sie sich noch an analoge Zeiten? Als wir nach einer intensiven Fototour tagelang auf die Entwicklung der Diafilme warteten, sie anschließend mit Ehrfurcht aus den Hüllen nahmen, mit zittrigen Fingern auf das Leuchtpult legten und zu guter Letzt, sozusagen als Höhepunkt des analogen Rituals, mit der Lupe die einzelnen Bilder betrachteten? Was dann folgte, war aber oftmals ein emotionaler Höhensturm - mit Luftlöchern, derben Böen, aber auch bewegenden Schwebezuständen im luftleeren Raum. Manche Aufnahmen waren besser als erwartet, weil der Fuji-Velvia mal wieder farblich die Realität um Welten übertraf. Andere jedoch waren enttäuschend schlecht. Und genau im Bereich „Bergsport in motion“, waren Treffer Glückssache, war Kontrolle und vor allem dementsprechend auch Korrektur während der Fotografie unmöglich. Nur bei aufwendigsten Werbeproduktionen hatte ich damals die Zeit und das Budget, um mit meiner Mittelformatkamera und dem angesetzten Polaroid-Rückteil diverse Parameter über ein Sofortbild zu kontrollieren.
Erst der Gegensatz von Schärfe und Unschärfe bringt dieses Bild zum Leben. Der tiefe Kamerastandpunkt sowie die angeschnittene Person stehen für eine moderne Bildsprache. Verschlusszeit 1/40 Sekunde, Canon EOS 1Ds MK III mit f4 17-40 mm. Berliner Hütte, Zillertaler Alpen, Österreich.
So klassisch und zeitlos die „eingefrorene“ Outdoor- bzw. Bergsportaction-Fotografie ist, so dynamisch, so schön, schnell und modern können mitgezogene oder bewegungsunscharfe Bilder sein. In diesem sehr kreativen Bereich der fotografischen Welt kann die Digitalfotografie ihre Stärken voll ausspielen. Was analog wirklich schwierig war und sehr viel Erfahrung, aber auch Glück erforderte, ist heutzutage deutlich leichter bei gleichzeitig wesentlich höherer Erfolgsquote.
Gute „Mitzieher“ erfordern jedoch nicht nur ein ordentliches technisches Wissen, sondern vor allem auch Routine und die Bereitschaft, ständig zu lernen und zu experimentieren.
Der ideale Mitzieher: ein wunderschöner Vorder- und Hintergrund, zwei farblich passende Biker und die (für dieses Motiv) perfekte Verschlusszeit von 1/15 Sekunde, Canon EOS 1N mit EF f2,8 300 mm L.
Soilasee, Ammergauer Alpen, Deutschland.
Welche technischen Faktoren spielen eine Rolle?
• Das Licht: Grundsätzlich kann man bei allen Lichtsituationen und allen Formen von bewegten Motiven „mitziehen“. Sinnvoll sind jedoch eher lichtschwache Aufnahmesituationen, nicht nur, um längere Verschlusszeiten zu erreichen, sondern auch, weil es in meinen Augen die schöneren Effekte gibt.
• Die Brennweite: Auch bezüglich der Brennweite gibt es keine Zwänge oder Einschränkungen. Ich kann einen Skifahrer in 50 Meter Entfernung mit dem 300-mm-Teleobjektiv fotografieren, den nahen Mountainbiker aber genauso spannend, schön, verrückt etc. mit dem 14-mm-Superweitwinkelobjektiv.
• Der Blitz: Viele Aufnahmen in diesem Stil bekommen das gewisse Etwas erst durch die Verwendung des Blitzes. Er bringt eine gezielte Beleuchtung des Akteurs (und nicht des Hintergrundes) und sorgt punktuell für Schärfe auf der bewegten Person. Ganz wichtig: Damit der Schweif der Bewegung hinter dem Akteur liegt, sollte auf den zweiten Verschlussvorhang geblitzt werden, d.h., das Blitzen erfolgt erst am Ende der Verschlusszeit.
• Das Stativ: Es klingt verrückt, aber in einigen Bereichen, vorzugsweise wenn das Mitziehen nur auf einer Achse stattfindet, kann das Stativ wertvolle Dienste leisten. Idealerweise sollte das Stativ jedoch mit einem Dreiwegeneiger ausgestattet sein und nicht mit einem Kugelkopf. Nur so kann die Kamera kontrolliert auf einer Achse bewegt werden (in der Regel auf der horizontalen, um zum Beispiel einem Radfahrer zu folgen) und gleichzeitig die beiden anderen Achsen fixiert werden.
• Das stabilisierte Objektiv: Natürlich werden wir auf so manch langer oder extremer Tour kein Stativ dabeihaben. Eine große Hilfe sind dann die so genannten elektro-optischen Bildstabilisatoren (Image-Stabilizer von Canon, VR-Objektive von Nikon bzw. die in die Sony SLR-Kameras integrierten Bildstabilisatoren). Vereinfacht ausgedrückt reduzieren all diese Systeme unser Zittern und Schwingen. Wir können mit ihrer Hilfe bis zu drei oder vier Stufen längere Verschlusszeiten aus der Hand halten.
Wie so oft lebt auch dieses Bild vom Gegensatz der Bewegungsunschärfe und dem partiellen Eindruck von Schärfe durch den Blitz. Verschlusszeit 1/10 Sekunde bei ISO 800, Canon EOS 5D mit EF f4 17-40 mm. Skitour zum Piz Kesch, Albulagebiet, Schweiz.
Die Grundlagen:
Wo liegen jetzt konkret die digitalen Vorteile und was muss man technisch beachten, um möglichst optimale Ergebnisse zu erzielen? Es mag unlogisch klingen, aber ein ganz wesentlicher Punkt ist der Hintergrund der eigentlichen Szene. Er sollte möglichst gleichmäßig und ruhig sein, um damit eine weiche und monochrome, im Bild dann zart verwischte Fläche zu ergeben. Nur dann wird sich das Hauptmotiv, ganz gleich ob Biker, Wanderer, Skifahrer oder Kletterer, auch entsprechend von ihm abheben.
Aufnahmen im schwachen Licht der Dämmerung sind fotografisch in den Bergen eine Standardsituation. Nur ist mir bei diesem Bild ein technischer Fehler unterlaufen - wer sieht ihn? Verschlusszeit 0,3 Sekunden bei ISO 400, Canon EOS 5D mit EF f4 17-40 mm Schiara, Dolomiten, Italien.
PS: Ich habe dummerweise auf den ersten Verschlussvorhang geblitzt …
Hat man ein geeignetes Motiv gefunden, folgt in der Regel ein erstes Testbild, um über das Histogramm die richtige Belichtung zu ermitteln. Übrigens: Auch in diesem Bereich der Fotografie verwende ich die Blendenvorwahl, d.h. die Zeitautomatik. Zum einen erreiche ich auch mit ihr über einen „Fingerdreh“ am Einstellrad meine gewünschte Verschlusszeit und zum anderen, um das Zurücksetzen verschiedener Automatiken bzw. Programme nicht zu vergessen. Für mich hat sich diesbezüglich ein reduziertes Arbeiten bewährt. Über das Verändern der Blende kann ich dementsprechend die gewünschte, in den meisten Fällen eher lange, Verschlusszeit einstellen. Nur: Wie lang muss die Verschlusszeit sein, um einen konkreten Effekt zu erzielen?
Eigentlich bin ich ja gar kein Tierfotograf! Aber dieses Rudel Steinböcke lief mir plötzlich vor die Kamera, ein klassischer Mitzieher. Verschlusszeit 1/50 Sekunde, Canon EOS 1Ds MK III mit Zeiss 100-300 mm ohne Stabilisator! Lechtaler Alpen, Österreich.
Bei sehr schnellen Sportarten (z. B. Skifahren oder Downhill-Mountainbiken etc.) genügen oftmals schon Zeiten zwischen 1/60 und 1/250 Sekunde, um einen angenehmen, nicht zu langen Wischeffekt bzw. eine Bewegungsunschärfe zu erreichen.
Kreative Unschärfe und Dynamik oder einfach nur ein unscharfer Skifahrer? Bedingt durch das extreme Weitwinkel von nur 15 mm (Vollformat-Fischauge) täuschen auch bei diesem Bild die Distanzen. Der Fahrer ist bei dieser Aufnahme trotz einer Verschlusszeit von nur 1/800 Sekunde!!! bewegungsunscharf. Dennoch hat das Bild in meinen Augen einen gewissen Reiz. Canon EOS 1D MK III mit EF f2,8 15 mm. Hintertux, Zillertaler Alpen, Österreich.
Im Normalfall jedoch liefern Verschlusszeiten zwischen 1/30 und 1/4 Sekunde gute Ergebnisse. In Ausnahmefällen oder um extreme Effekte zu erzielen, kann sogar bis zu einer oder gar zwei Sekunden mitgezogen werden. Genau hier eröffnet sich jetzt ein unglaublich wertvoller Vorteil der Digitalfotografie. Sollte der Effekt zu lang oder zu kurz sein, kann ich nach dem Betrachten der ersten Aufnahmen auf dem Monitor die Blende weiter öffnen für kürzere Zeiten oder aber weiter schließen für längere Zeiten. Wenn dieser Gestaltungsspielraum nicht ausreichen sollte, können wir sogar noch über die ISO-Empfindlichkeit weiter agieren. Bei zu wenig Licht, das heißt zu langen Zeiten, gehen wir auf ISO 400 oder 800, um kürzere Zeiten zu realisieren; bei zu viel Licht, das heißt zu kurzen Zeiten, auf z.B. ISO 50, um eine längere Zeit zu erreichen.
Hier ist alles unscharf, eine Aufnahme ohne jede Schärfe. Kurzum - das Bild würde ich löschen … Verschlusszeit 1/40 Sekunde, Canon EOS 15D mit EF f4 70-200 mm L IS). Kellerjoch, Zillertaler Alpen, Österreich.
Bei sehr vielen Motiven in diesem dynamischen und durchaus abstrakten Bereich der Fotografie arbeite ich mit Blitzlicht. Auch seine Wirkung kann ich schon vorher testen und falls nötig seine Leistung reduzieren oder erhöhen.
Eine düstere Szene. Nur durch den Blitz kommt Leben in die nächtliche Szene. Die Personen sind (fast) eingefroren, die Bewegungsunschärfe liegt auf den Schaufeln, Händen etc. Verschlusszeit 1/15 Sekunde, Canon EOS 5D mit EF f4 17-40 mm L, Blitz minus 1,5) Lyngen Alps, Norwegen.
Mit meinen Systemblitzgeräten von Canon muss ich zum Beispiel bei Motiven mit dunklem Hintergrund (siehe letztes Bild) die Leistung etwas reduzieren. Bei sehr hellen Motiven (zum Beispiel Skifahrer vor weißem Schnee) muss ich die Blitzleistung erhöhen. Blitze und Kameras von Nikon arbeiten diesbezüglich exakter und ausgewogener. Bei manchen Motiven kann es sogar durchaus Sinn machen, von der Blitzautomatik bezüglich Brennweite abzuweichen, um den Akteur konzentrierter mit dem Blitz zu beleuchten. Hat man z.B. an der Kamera ein 24-mm-Objektiv, kann es durchaus von Vorteil sein, den Blitz auf 35 mm einzustellen.
Mitgezogen und geblitzt. Trotz des starken Weitwinkelobjektivs wurden die Bäume im Hintergrund (gerade) ausreichend verwischt. Verschlusszeit 1/10 Sekunde, Blitz minus 1, Canon EOS 5D mit EF f4 17-40 mm L. Baumgartenschneid, Bayerische Alpen, Deutschland.
Um die Bedeutung der digitalen Möglichkeiten nochmals hervorzuheben, möchte ich die wesentlichen Faktoren kurz zusammenfassen:
- Kontrolle der Belichtung über das Histogramm.
- Beurteilung des Wischeffektes bzw. der Bewegungsunschärfe über den Monitor.
- Kontrolle der partiellen Schärfe des Akteurs über die Lupenfunktion.
- Beurteilung des eingesetzten Blitzlichtes in seiner Stärke und Ausrichtung.
- Beurteilung des Bildaufbaus bzw. der Positionierung von Personen im Bild.
Der Klassiker: mitgezogener Biker vor monochromem Hintergrund. Wichtig ist die partielle Schärfe im Gesicht. Verschlusszeit 1/8 Sekunde, Canon EOS 1D MK III mit EF f4 70-200 mm L bei 100mm. Zillertaler Alpen, Österreich.
Die Technik:
Das „Mitziehen“ selbst ist technisch relativ einfach und läuft immer nach dem gleichen Schema ab: Aus einer möglichst stabilen Körperhaltung heraus folge ich mit der Kamera dem Akteur. Bei horizontalen Bewegungen meist im Querformat, bei vertikalen Bewegungen durchaus auch mal im Hochformat. Der rechte Zeigefinger ist immer auf dem Auslöser, um bei Bedarf oft und kontrolliert auslösen zu können. Über den Auslöser aktiviere ich gleichzeitig den Autofokus. Ein entsprechendes AF-Messfeld bestimme ich vorher in Abhängigkeit vom Bildaufbau. Zusammenfassend gesagt: Ich folge mit der Kamera der Aktion und löse dabei, meist mit langer Verschlusszeit, immer wieder aus.
Diese Aufnahme entstand vom Stativ aus. Die beiden Wanderer sind mehrmals kontrolliert „ins Bild gelaufen“. Die Bewegungsunschärfe dürfte in meinen Augen jedoch nicht stärker sein. Verschlusszeit 1/8 Sekunde, Canon EOS 5D mit EF f4 17-40 mm L. Val Grande, Italien.
Ein klein wenig anders müssen wir jedoch agieren, wenn Bewegungsunschärfe das fotografische Ziel ist. Die Kamera verbleibt meist stationär und unbewegt, nur der Akteur bewegt sich. Durch die lange Verschlusszeit wird die Bewegung unscharf wiedergegeben, das Umfeld jedoch scharf.
Eigentlich wollte ich ja nur den Baum vom Stativ aus fotografieren. Dann kam die Idee mit den Wanderern … Verschlusszeit 1/2 Sekunde, Canon EOS 5D mit EF f2,8 70-200 mm L IS. Mercantour Nationalpark, Frankreich.
Natürlich kann man beide Techniken, das Mitziehen und die Bewegungsunschärfe, miteinander kombinieren. Aber Vorsicht: Zu viel Unschärfe muss nicht immer kreativ sein.
Viele der digitalen Vorteile können wir jedoch nur nutzen, wenn eine Szene wiederholbar ist. Wenn wir zum Beispiel mit Freunden, bzw. der Profifotograf mit Models, vor Ort sind und unsere Akteure eine Stelle beliebig oft fahren bzw. laufen, springen oder klettern können.
Die „Freunde“ sollte man, damit sie auch solche bleiben, anschließend entsprechend „pflegen“. Ich denke da an Kuchen, Kekse, Schokolade, aber auch an Erinnerungsbilder!!
Ohne Bildstabilisator wäre bei dieser Aufnahme nichts mehr scharf. So liegt die Bewegungsunschärfe partiell auf dem Körper, auch der Fels unten ist, bedingt durch die offene Blende, im Unschärfebereich. Verschlusszeit 1/10 Sekunde, Canon EOS 1D MK III mit EF f2,8 70-200 mm L IS bei 70mm. Bachhexe, Zillertaler Alpen, Österreich.
Fotografieren wir jedoch während einer Veranstaltung bzw. während eines sportlichen Wettkampfes, sollte die Technik bereits „sitzen“. Szenen sind dann nur bedingt wiederholbar - außer bei Massenveranstaltungen, wo eine große Zahl an Akteuren nacheinander die gleiche fotografisch geeignete Stelle passiert. Andererseits beinhalten 300 Bergläufer in Folge ja tatsächlich ein gewaltiges Übungspotential … viel Spaß in motion.
Zuletzt nochmals Bewegungsunschärfe mit Blitz. Die Farben leuchten, Nebel, Mond und Dämmerung bringen Atmosphäre. Verschlusszeit 1/25 Sekunde, Blitz minus 1, Canon EOS 1D MK II mit EF f4 17-40 mm L. Längenfeld, Ötztaler Alpen, Österreich.